„Bremen zahlt für den Frieden“ zahlen müssen“

■ „Bremen 2000“ – ein Debatten-Platz bei Radio-Bremen über die Region als Waffenschmiede und die Mühen bei der Rüstungskonversion

Sonntags vormittags um 11 Uhr, wenn eigentlich niemand Radio hört, dann bietet Radio Bremen in seinem „Melodie“-Programm etwas Besonderes: „Bremen 2000“, ein Thema wird eine Stunde lang von kompetenten DiskussionspartnerInnen vertieft.

An diesem Sonntag wird es um Schwerelosigkeit gehen, Anlaß ist der 10jährige Geburtstag des Zarm, aus diesem Anlaß sind auch die Bürgermeister Scherf und Nölle eingeladen – das Studio ist erstmals in die Kuppel des Bremer Fallturmes verlegt.

Was wird aus der „Rüstungskonversion“? Kompetente Gesprächspartner hatten sich kürzlich zum Forum „Bremen 2000“ unter diesem Thema zusammengefunden, neben Prof. Wolfram Elsner, dem Konversionsbeauftragten des Senats auch Helmut Füssinger, Konversionsbeauftragter des Bremer Vulkan, Dieter Stehmann, Koordinator Forschung und Innovationsvorhaben der DST und Michael Ahlmann, Betriebsrat von Atlas-Elektronik.

Der IG Metall-Mann Ahlmann kennt die Vorgeschichte der „Konversion“: Erst seit der „Wende“ und seitdem der Rüstungshaushalt massiv gekürzt wird, passen sich die Manager sich dem neuen Trend an, sagt er. Der frühere Atlas-Elektronik-Chef Triebold etwa ist seit 1990 ein Verfechter der „Konversion“, „vorher war das für ihn eher ein Ärgernis im Betrieb“, wenn die Konversion dort Thema war. Ahlmann hält es für „blanke Erpressung des Daimler-Konzerns, „jetzt zu sagen, entweder wir kriegen Rüstungsaufträge, zum Beispiel den Eurofighter, den Hubschrauber Ohu, oder es drohen Massenentlassungen.“

Das schlimme: Bremen ist erpreßbar, sogar die Friedenstaube Scherf. Bremen ist immer noch die am drittstärksten von Wehrtechnik abhängige Region in Europa, weiß der Konversionsbeauftragte des Senats, Elsner. Das Verteidigungsministerium legt erstmals Zahlen vor: In Bremen lebt nur ein Prozent der Bevölkerung, es beherbergt aber fünf Prozent des Potentials der Rüstungsindustrie. „Bremen ist mit Abstand das Rüstungszentrum des Nordens und das am stärksten abhängige Bundesland.“, sagt Elsner, und erinnert an Staatssekretär Schönbohms Satz: „Bremen wird für den Frieden zahlen müssen“.

„Wehrtechnik und Konversion ergänzen sich“, versucht der Vulkan-Konversionsfachmann Füssinger das Problem zu entschärfen. „Wir sollten das nicht im Gegensatz sehen.“ Stehmann von der DST konkretisiert: Die DST war zu 85 Prozent mit Rüstungsproduktion ausgelastet, sie hat den Anteil auf unter 40 Prozent herunterdrücken können und müssen. Aber die Rüstungs-Abhängigkeit bleibt: „Wir sind nach wie vor noch abhängig von den wehrtechnischen Aufträgen, da verdienen wir unser Geld.“ Warum, wird schnell deutlich: „200 Kriegsschiffe fahren mit unseren Kommunikationsmitteln herum“, das Verteidigungsministerium zahlt gut, jetzt rüstet DST die Startbahn Mannheim aus und hat ein Nachtsichtgerät für Bauern entwickelt aus seiner Militärtechnologie. Jeder einzelne Kunde muß geworben werden, „Marketing“ müssen die Rüstungsschmieden lernen, und welcher Bauer will schon nachts pflügen? „Das sind Aktionen, die publikumswirksam sind, aber uns kein Geld bringen“, sagt Stehmann. Füssinger vom Vulkan drastisch: „Konversion ist ein Mittel, den Arbeitsplatzabbau abzufedern.“ Mehr nicht.

Elsner wird im Dezember der Bürgerschaft die Bilanz vorlegen über drei Jahre Konversionsförderung: etwa 1500 Arbeitsplätze seien gesichert worden durch Konversion in den Wehrtechnik-Unternehmen. Die überregional einmalige Bremer Konversions-Förderung hatte daran nur einen Anteil von gerade einmal 300-400. Der Senats-Beauftragte Elsner ist bescheiden geworden: „Wir müssen eine Doppelstrategie verfolgen. Das überwiegende Geschäft wird nach wie vor in der Wehrtechnik gemacht. Wir machen ein Angebot zur Ergänzung und sagen: Wer sich heute nur auf Rüstung verläßt, macht einen Fehler. Die Wehrtechnik-Märkte von früher wird es nicht mehr geben. Für mich ist Konversion der Weg der Innovation und Modernisierung.“

Ist es denn sinnvoll, mit vielen Millionen entwickelte Technologien wie den „aktiven Lärmschutz“ von Militär-Hubschraubern jetzt für Dunstabzugs-Hauben für die Küche einzusetzen? Elsner: „Es ist überwiegend sinnvoll, wenn wir bedenken, daß wir uns auf ganz schwierigen Feldern bewegen.“

K.W.