Ungeliebter Renommierbetrieb

■ Ihr Auftrag lautet: Bewahren, pflegen, sammeln und - seit 1990 - zusammen- führen. Doch der Etat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz schrumpft immer mehr

Die Ministerpräsidenten waren's zufrieden. Durch ihren Beschluß, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) auch weiterhin zu unterstützen, sei, so verkündeten die Länderchefs nach ihrer letzten Zusammenkunft Ende Oktober, deren Fortbestand nun endlich garantiert. 60 Millionen Mark pro Jahr – fixiert bis 1999 – werden sie sich den Spaß kosten lassen.

In Berlin dagegen wurde die Entscheidung der Lübecker Ministerpräsidentenkonferenz eher kritisch kommentiert. Kultursenator Ulrich Roloff-Momin wollte das Votum „durchaus nicht so positiv“ bewerten, wie das „gegenwärtig in den Medien“ geschehe. Und auch Werner Knopp, der stets um eine moderate Tonlage bemühte Präsident der SPK, äußerte sich für seine Verhältnisse ungewohnt verschnupft. Die Einigung stelle das „derzeit Erreichbare“ dar. Ob man damit glücklich sein könne, sei „schwer zu sagen“.

Die unterkühlte Reaktion hat ihre Gründe. Da der Länderzuschuß auf vier Jahre festgeschrieben ist, reduziert er sich via Teuerungsrate de facto um etwa zwei Millionen Mark jährlich. Für den Ausfall wird der Bund geradestehen müssen. „Im Bereich des Vorstellbaren“ (Knopp) läge zudem, daß sich die Länder zum nächstmöglichen Termin, das wäre bereits 1997, aus der vereinbarten Finanzierung wieder verabschieden.

Die Stiftung träfe das zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Für sie sind die fetten Jahre unwiderruflich vorbei. Auf einen Ankaufsetat wie etwa das in den siebziger Jahren eingeführte, mit rund 10 Millionen Mark pro Jahr ausgestattete „Manna-Programm“ müssen die Staatlichen Museen seit langem verzichten. Auch personell mußte die SPK bluten. 300 Stellen wurden seit 1990 „vereinigungsbedingt“ abgebaut. Außerdem, das schreibt eine Auflage des Stiftungsrates vor, hat die SPK die verbliebenen Stellen um jährlich ein Prozent zu reduzieren.

Als die Stiftung 1957 gegründet wurde, war ihr Auftrag klar: Sie sollte die Kulturgüter des 1947 aufgelösten preußischen Staates, die während des Zweiten Weltkrieges im Westen Deutschlands ausgelagert waren, „bewahren, pflegen und ergänzen“ – und zwar „bis zu einer Neuregelung nach der Wiedervereinigung“. Mit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages im Oktober 1990 erhielt die SPK, die von der DDR nie anerkannt worden war, ein neues Mandat. Nun wurde sie beauftragt, „die durch die Nachkriegsereignisse getrennten Teile der ehemals staatlichen preußischen Sammlungen wieder zusammenzuführen“.

Seitdem steht die Stiftung vor Umstrukturierungen von bislang ungekannten Ausmaß. Im Zuge der Vereinigung der Sammlungen in Ost und West wird in den nächsten Jahren ein Großteil der 16 Staatlichen Museen umziehen. Bestehende Häuser müssen saniert, die verschiedenen Um- und Neubauten zu Ende gebracht werden. So soll ab Herbst 1996 im ehemaligen Antikenmuseum (West) nahe dem Schloß Charlottenburg die Sammlung Berggruen mit Meisterwerken der Klassischen Moderne zu sehen sein. Ebenfalls 1996 soll der Hamburger Bahnhof, die für zeitgenössische Kunst zuständige Außenstelle der Nationalgalerie, eröffnet werden. Der Umzug der Antikensammlungen in das Alte Museum, in dem derzeit noch Sonderausstellungen stattfinden, ist nach dem aktuellen Terminplan für 1998 vorgesehen.

Im selben Jahr soll die Gemäldegalerie von Dahlem in den Neubau am Kulturforum übersiedeln und dort mit den Beständen des ehemals Ostberliner Bodemuseums vereint werden. Der Dahlemer Museumskomplex wird dann ganz dem Völkerkundemuseum zur Verfügung stehen, was weitere Umbauten notwendig macht. Dringend renovierungsbedürftig ist auch die Alte Nationalgalerie auf der Museumsinsel, die die Kunst des 19. Jahrhunderts einschließlich der momentan noch in Charlottenburg befindlichen Galerie der Romantik aufnehmen soll. 1999 will die Stiftung mit dem Wiederaufbau des Neuen Museums beginnen, das durch einen Verbindungstrakt an das benachbarte Pergamon-Museum angebunden werden soll und die Ägyptischen Sammlungen beherbergen wird. Dazu kommt die Zusammenlegung der Staatsbibliothek und der ihr angeschlossenen Archive.

Bei alledem kommen die Bundesländer relativ billig weg: Sie beteiligen sich nur am sogenannten Betriebshaushalt der SPK. Die Baumaßnahmen, die über die laufenden Kosten hinausgehen, zahlen je zur Hälfte der Bund und das Land Berlin. 1996 sind dafür 120 Millionen Mark veranschlagt, ein Posten, der bis 155 Millionen Mark heraufgefahren werden soll. Ohnehin nimmt sich der Länderbeitrag am Stiftungsetat vergleichsweise bescheiden aus: Der Löwenanteil der 261 Millionen Mark, die die Stiftung in diesem Jahr erhält, kommt wie bisher aus Bonn. Dazu addieren muß man die 20 Millionen Mark, die Berlin übernimmt. Zieht man dann noch den Batzen ab, den Nordrhein-Westfalen nach dem komplizierten Rechenverfahren beisteuert, bleiben für die restlichen 14 Bundesländer im Durchschnitt zwei Millionen Mark, die sie nach Berlin überweisen müssen. Für ein Land wie Bayern, das sich auch diesmal wieder besonders hartnäckig gegen eine Einigung sträubte, macht der Obolus nicht einmal eine Million Mark aus.

Vor allem die CDU/CSU-regierten Länder tun sich bei ihrem Engagement für die SPK schwer. Am Geld allein kann das nicht liegen. Als die Stiftung 1957 ins Leben gerufen wurde, mußte das Bundesverfassungsgericht bemüht werden, so groß war die Sorge der Länder um ihre Kulturhoheit. Daß der Stiftungsrat seitdem mitredet, hat er zu Genüge bewiesen. Die Eintrittsgelder, die Besucher der Staatlichen Museen seit drei Jahren zahlen müssen und die die Stiftung „nur sehr widerwillig akzeptiert hat“ (Knopp), waren seine Idee.

Doch mittlerweile sieht es aus, als würden die Bundesländer auf das föderale Prinzip gerne verzichten. Die Vorstellung, die Hauptstadtstiftung mit ihren 2.000 Mitarbeitern ganz dem Bund zu überlassen, kommt einigen wohl ganz gelegen. Die Regierung wird sich in Zukunft sowieso verstärkt um „ihr“ Kulturprogramm in Berlin kümmern. Da kann sie, finden manche, auch die Hauptstadtkultur besorgen.

So weit will es Knopp unter keinen Umständen kommen lassen. Der 64jährige Rechtsprofessor, dessen Berliner Lieblingsgemälde bezeichnenderweise Rembrandts „Mennonitenprediger Anslo und seine Frau“ ist, wird nicht müde zu betonen, wie wichtig es ist, „daß die Länder in der Kulturlandschaft der Bundeshauptstadt präsent sind und ihren Sachverstand mit einbringen.“ Die Bonner Regierung habe keine eigene Kulturverwaltung „und daher auch keine kulturpolitische Erfahrung, anders als die Ministerialräte aus Stuttgart oder München“.

Trotzdem ist die Einigung zugunsten der „ungeliebten Stiftung“ (Knopp) nur unter Druck zustande gekommen. „Wenn die Länder sich zurückgezogen hätten, hätte ihnen der Bund an anderer Stelle das Geld gestrichen.“ Den „kulturpolitischen Bürgerkrieg“ wollten die Länder dann doch nicht. Knopp: „In der Politik, da wird gerechnet.“ Ulrich Clewing