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: Düppelstraße

Dankenswerterweise hat Klaus Bittermann die verstreuten Arbeiten von F.W. Bernstein aus den letzten acht Jahren in einem kleinen Band versammelt. Eine ganz und gar schlagende Idee Bernsteins ist das „Straßenlesen“, eine 1988 in einem Artikel für Konkret erstmals erprobte Flaneur-Technik, hier an der Düppelstraße im Berliner Stadtteil Steglitz angewendet:

„Das letzte Stück vor dem Ehlersplatz les' ich immer wieder gern. Bei ,Betten Dahms‘ fang ich an. Im Schaufenster diesmal sein handgeschriebenes Sonderangebot: ,Kopfkissen Original Gänsehalbdaune 80 x 80 DM 69.-‘ Nächstes Haus: ,Videothek Nr.1‘ – ,Ankauf Tausch Verkauf Verleih. KRIMI/Zeichentrick/Sciencefiction-/ SEX-/Abenteuer-/Horror-/Karate-Videofilme VHS/Beta/2000‘. KRIMI und SEX in Großbuchstaben. Sex mehrmals durchgestrichen... Am Ende aber dieser Straße lauert das Ziel all unsrer Mühen; eben kehrt dort der Hausknecht den Garten, auf dem Rasen rackert das Riesenkaninchen, und die zwei dicken Enten watscheln – Guten Tag! Über dem Eingang steht in leuchtenden Lettern geschrieben – und ihr, die ihr hier eintretet, seid gut dran: ,EIS-Cafe- Biergarten-Mr.Vanille-Imbiß‘.“

Nach sieben Jahren, im Juli '95, hat Bernstein die Düppelstraße wieder gelesen, jetzt sind ein paar Gedichte hinzugekommen:

„Ausfahrt freihalten /

widerrechtlich /

parkende Fahrzeuge werden /

kostenpflichtig /

abgeschleppt“

Das mag noch angehen, was aber will uns der Dichter wohl hiermit sagen:

„TS

Einspeisung /

der Trocken- /

steigeleitung /

in der Stütze“?

Das ist fast so herrlich hermetisch wie das Gedicht an den Türen der Berliner Busse, das gleichfalls in diesem rundum empfehlenswerten Band zu finden ist:

„Automatische Tür /

Haltewunsch und Öffnen /

mit Druckknopf /

Schließen automatisch“

F.W. Bernstein: „Die Stunde der Männertränen. Texte auf Papier“. Edition Tiamat Berlin, 160 Seiten, 28 DM