Kandidat der Armee

■ Der algerische Staatschef ließ sich bei den Wahlen in seinem Amt bestätigen

Berlin (taz) – Seine Karriere stand ganz im Dienst der Militärs. Mit 16 Jahren brach Liamine Zéroual 1957 die Schule ab und meldete sich freiwillig zum Dienst bei der „Nationalen Befreiungsarmee“ (ALN), dem bewaffneten Arm der „Nationalen Befreiungsfront“ (FLN) Algeriens. Nach einer militärischen Ausbildung in Ägypten beteiligte er sich als Offizier am Befreiungskrieg gegen die Kolonialmacht Frankreich. Nach Erringung der Unabhängigkeit studierte er an Militärakademien, zuerst in Moskau, dann in Paris.

Nach seiner Rückkehr wurde er Major der Nationalen Volksarmee Algeriens und bildete 1981 ein Jahr lang an der Militärakademie von Cherchell algerische Offiziere aus. Im Jahre 1988 wurde er dann zum General ernannt. Sein direkter Vorgesetzter war Heereschef Khalid Nezzar.

1989 kam es zum Knall: Vordergründig wegen einer Heeresreform überwarf sich Zéroual mit dem damaligen Staatspräsidenten Chadli Bendjedid und Nezzar und schied vorzeitig aus dem Militärdienst aus. Dahinter verbarg sich ein latenter Konflikt im algerischen Militär: die Rivalität zwischen jenen, die wie Zéroual von Anfang an in der Befreiungsarmee gedient hatten, und den ehemaligen Offizieren der französischen Armee. Zu letzteren gehörte sein Rivale Nezzar, der erst 1958 von der französischen Armee zur ALN übergelaufen war.

Zéroual, der von Berufskollegen als „sehr professionell“, aber auch „autoritär und impulsiv“ beschrieben wird, wurde als Botschafter nach Rumänien geschickt. Ein Jahr hielt er es dort aus, dann zog er sich in seine Heimatstadt Batna zurück – vorerst.

Im Januar 1991, wenige Wochen nach dem Abbruch der ersten freien Parlamentswahlen, erklärte ein bleicher Bendjedid der algerischen Nation im Fernsehen seinen Rücktritt. Es bestand kein Zweifel, daß er einem „Wunsch“ der Militärs entsprach. Diese installierten einen in der Verfassung nicht vorgesehenen „Hohen Staatsrat“.

Der Staatsrat hatte seine Amtszeit auf drei Jahre beschränkt. Ende 1993 mußte eine neue Führungsinstanz gefunden werden. Im Herbst berief ein Ausschuß von Offizieren separat Parteien ein, um zu einer Einigung über die neue Staatsführung zu kommen. Doch der Dialog hatte einen Haken: Die Militärs machten ihren Gesprächspartnern klar, daß sie nicht bereit waren, auf die eigentliche Macht zu verzichten. Eine Partei nach der anderen brach die Gespräche ab.

An eine Wahl einer neuen Staatsführung war also nicht zu denken. Statt dessen beschlossen die Militärs, einen Präsidenten einzusetzen. Ihr Favorit, Abdelaziz Bouteflika, forderte freie Hand bei der Umstrukturierung des Generalstabs – eine unannehmbare Forderung. Als Kompromißkandidaten fanden die Militärs Liamine Zéroual. Der hatte seinen Ruhestand abgebrochen und ging seit September 1993 als Verteidigungsminister und Mitglied des „Hohen Staatsrats“ mit harter Hand militärisch gegen Islamisten vor. Auf Wunsch der Uniformierten trat er im Februar 1994 das Amt des Präsidenten an. Gestern wurde der 54jährige Vater von drei Kindern in einem von den Militärs inszenierten Urnengang in seinem Amt bestätigt. Thomas Dreger