Und höflich schweigen die Apec-Staaten

Auf dem Pazifik-Gipfel werden Themen wie Menschenrechte und Demokratie ausgeklammert  ■ Aus Osaka Georg Blume

Wieviel Pluralismus erlauben Asiens Regierungen? „Stellen Sie ihre Frage bitte auf japanisch oder englisch!“ herrscht der japanische Leiter der gestrigen Minister-Pressekonferenz des Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforums (Apec) eine taiwanesische Journalistin an, die den chinesischen Außenminister in ihrer Muttersprache nach der Bedeutung von Pekings jüngsten Militärmanövern vor der Küste Taiwans befragen will. Die junge Frau darf ihre Frage auch auf englisch nicht wiederholen.

Die Szene vor tausend Journalisten und den versammelten Außen- und Wirtschaftsministern von 18 Staaten, in denen 40 Prozent der Weltbevölkerung leben und 56 Prozent des Weltbruttosozialprodukts erwirtschaftet werden, ist symbolisch für den Verlauf des Gipfels. Nicht einmal die USA scheinen in Osaka das Wort Demokratie noch buchstabieren zu können. Als sich während des Apec-Gipfels im letzten Jahr in Indonesien protestierende Studenten aus dem besetzten Ost-Timor in den ausländischen Botschaften versammelten, sprach US-Präsident Bill Clinton die Wahrung der Menschenrechte in Asien immerhin noch in seinen Gesprächen mit dem indonesischen Präsidenten Suharto an. In diesem Jahr stürmten zwar erneut 21 Jugendliche aus Ost-Timor die japanische Botschaft in Indonesien. Doch der japanische Apec-Sprecher kann den Vorfall in Osaka mit den Worten abtun: „Wir wissen nicht, was diese Leute wollen.“ Nicht anders, sondern gar nicht reagieren die übrigen Apec-Länder.

Der antipluralistische Geist, der den pazifischen Gipfel schon vor Eintreffen der meisten Staats- und Regierungschefs der Region kennzeichnet, wird nicht zuletzt durch die diktatorischen Sicherheitsmaßnahmen in den Straßen Osakas verstärkt. Japans zweitgrößte Metropole wirkt seit Tagen geradezu entvölkert. 25.000 Polizisten beherrschen das Stadtbild und kontrollieren jeden Passanten, der sich in die Nähe eines der Hotels wagt, in denen die Delegationen untergebracht sind. Nicht einmal wenn der japanische Kaiser Ausfahrt erhält, werden in Japan vergleichbare Methoden angewandt.

Der Ehrgeiz der japanischen Gastgeber, den Gipfel von Osaka von jeder Kontroverse freizuhalten, wirkt deshalb so fehl am Platz, weil sich hier die älteste Demokratie Asiens den zweifelhaftesten Diktatoren der Region anzubiedern wagt. Vom Sultan von Brunei bis zum chinesischen Staatspräsidenten haben sich die meisten Stargäste in Osaka bisher eben nicht durch demokratische Großtaten ausgezeichnet. Dies mit keinem Wort zu erwähnen ist zwar das Prinzip des Apec-Forums, das sich laut Statut nur mit wirtschaftspolitischen Fragen beschäftigt. Erstaunlich ist dennoch, wie manisch alle Beteiligten in Osaka diese unausgesprochene Schweigepflicht befolgen.

Fragt sich also, inwieweit der Geist von Osaka den jungen pazifischen Staatenverbund durchdringen kann. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: „Die zwei Säulen, auf denen Apec steht, heißen Freihandel und technische Zusammenarbeit“, definierte gestern Chinas Außenminister Qian Qichen mit demonstrativem Selbstbewußtsein den Auftrag jenes ersten Regionalbündnisses, in dem China neben den Demokratien Japan und USA überhaupt ein Mitglied ist. Chinas ungetrübtes Apec- Engagement kontrastiert auf der Ministerpressekonferenz in Osaka mit dem unübersehbaren Rückzug der USA. Von den „heldenhaften Bemühungen Präsident Clintons, nach Osaka zu kommen“ spricht dort der US-amerikanische Handelsbeauftragte Mickey Kantor. Doch Clinton kommt aufgrund der heimischen Haushaltskrise eben nicht nach Osaka.

So ist heute schon leicht vorstellbar, was den zukünftigen pazifischen Integrationsprozeß unter Führung von Tokio und Peking auszeichnen wird: „Flexible Konsensbildung“ lautet das Stichwort, das der indonesische Außenminister Ali Alatas schon gestern gab. Die englischsprachige Japan Times nennt das den „asiatischen Weg der Apec“. Wenn auf diesem Weg selbst Japan sich in Sachen Demokratie Zurückhaltung auferlegt, dürfte in ein paar Jahren nicht mehr auf der Apec-Tagesordnung stehen als heute. Die am Rande des Apec-Geschehens bisher nur schwach vernehmbaren Rufe der asiatischen regierungsunabhängigen Organisationen wären dann vergebens. Dabei hatte doch Clinton noch vor zwei Jahren von einer „asiatisch-pazifischen Gemeinschaft“ gesprochen, die man sich ohne einen Streit um das pazifische Demokratiemodell nicht hatte vorstellen können.