„Das Verständnis bei unseren Gästen steigt“

■ Großprojekte stoppen, Energieverbrauch senken, Touristen informieren: Peter Nindl, Bürgermeister eines Alpendorfs, hält umweltverträglichen Tourismus für möglich

Die österreichische Gemeinde Neukirchen am Großvenediger hat 2.500 Einwohner, 9 Skilifte, 350.000 Übernachtungen pro Jahr und einen ÖVP-Bürgermeister. Er will in seinem Ort beweisen, daß Fremdenverkehr nicht automatisch den Alpen schadet.

taz: „Umweltverträglicher Tourismus“ – der Begriff klingt nach Widerspruch in sich. Wäre nicht der umweltverträglichste Tourismus gar kein Tourismus, gerade in der empfindlichen Alpenregion?

Peter Nindl: Ich denke, es kommt auf die Dosis an. Bei uns liegt zum Beispiel der ganze südliche Teil unserer Gemeinde im Nationalpark Hohe Tauern – und in diesem großen Naturschutzgebiet ist es uns gelungen, alle Großprojekte abzublocken. Anfang der 80er gab es noch den Wunsch, ein Gletscher-Skigebiet rund um den Großvenediger zu errichten. Ein paar Jahre davor war es bei uns beliebt, mit Huschraubern zum Skifahren zu fliegen. Und für 5 Milliarden Schilling sollte ein Wasserkraftwerk gebaut werden, in das sämtliche Gebirgsbäche geleitet worden wären. Alle diese Projekte sind ad acta gelegt worden, damit das Gebiet in seiner Ursprünglichkeit erhalten wird.

Wie schwer sind solche Beschränkungen durchzusetzen?

Sicher gibt es auch heute noch ein paar Leute, die sich von weiterem Ausbau bessere wirtschaftliche Chancen erhoffen. Aber das sind nur noch wenige. Die Meinungsumfragen zeigen, daß die Leute mit der Linie einverstanden sind und den Nationalpark akzeptieren.

Bei Ihnen ging es ja „nur“ um den Verzicht auf weitere Erschließung. Schwieriger wird es, wenn über eine Verringerung des Tourismus insgesamt diskutiert wird.

Bei uns ist das glaube ich nicht notwendig. Nach dem Boom in den 70ern hat sich der Tourismus hier auf ein erträgliches Maß eingependelt. Selbst wenn die Übernachtungspreisen in Neukirchen im nächsten Sommer um 10 Prozent steigen, könnte der Ort das leicht verkraften, und die Landschaft verträgt das auch. Selbst an einem sonnigen Herbsttag können Sie fast alleine unterwegs sein. Aber generell denke ich, daß sich alle Gemeinden über eine Verringerung des Tourismus Gedanken machen müssen – schon aus dem einfachen Grund, weil das Geschäft in den letzten Jahren insgesamt schwächer läuft.

Neukirchen soll nach Ihren Plänen zur „energieautarken Gemeinde“ werden. Wie geht das?

Mit etlichen Einzelmaßnahmen. Gerade heute werden wieder 20 Häuser von Experten durchgecheckt, ob ihre Wärmedämmung ausreicht. Wenn nicht, sollen sie nachgerüstet werden. 600 Haushalte werden schon heute durch kleinere Wasserkraftwerke mit Strom versorgt, 300 andere von einem privaten Unternehmen am Ort. Auf dem Wildkogel steht schließlich eine Photovoltaik-Anlage, die auch noch einen Teil beisteuert.

Sie kommen trotz 350.000 Übernachtungen im Jahr ohne Strom von einem großen Energieversorger aus?

An Weihnachten noch nicht, da müssen wir noch von der Stromgesellschaft zukaufen. Aber wir nähern uns dem Ziel.

Und wie kriegen Sie Ihre Touristen dazu, sich halbwegs umweltverträglich zu verhalten?

Wir bieten jeder Reisegruppe einen Vortrag an, den ein Mitarbeiter des Nationalparks hält. Dieser Ingenieur erklärt einiges über den Umgang mit der Natur, über das Verhalten abseits der Skipisten. Mag sein, daß es nicht allein daran liegt, aber das Verständnis dafür ist in den letzten Jahren bei unseren Gästen sprunghaft gestiegen. Interview: Felix Berth