Tornado-Einsatz? Im Prinzip nein ...

Lafontaine vermeidet Kraftprobe mit Scharping und läßt den Parteitag einen abgeschwächten Antrag zum Bosnien-Einsatz beschließen. Die Fraktion behält Entscheidungsfreiheit  ■ Aus Mannheim Hans Monath

„Schalten Sie doch endlich Ihren Verstand aus“, rät ein Außenpolitiker aus der SPD-Bundestagsfraktion am Rande des Parteitags von Mannheim. Ein hilfreicher Tip, denn wer die verwirrenden außenpolitischen Beschlüsse an diesem Tag verstehen will, tut wirklich gut daran, nicht nur auf den Wortlaut von Lafontaines Redebeiträgen und den der vielfach ergänzten Abstimmungsvorlage zu schauen. Er sollte vor allem auf die Akzente des begnadeten Rhetorikers und seine emotionale Wirkung achten.

Zunächst die Sachebene: In dem Beschluß steht offensichtlich Widersprüchliches nebeneinander. Einerseits eine Aufforderung an die eigene Bundestagsfraktion, der Entsendung von Kampfflugzeugen (ECR-Tornados) im Rahmen der milititärischen Sicherung eines Friedensabkommens in Bosnien nicht zuzustimmen, da diese nur für Kampfaufträge gebraucht würden. Auf der anderen Seite die Ermächtigung an die Fraktion, „auf der vorgenannten Grundlage der Friedensmission in vollem Umfang zuzustimmen“.

Es ist ein Formelkompromiß, was da als Ergebnis des noch vor dem Parteitag entbrannten Streits zwischen Fraktionschef Rudolf Scharping und seinem außenpolitischen Widersacher Lafontaine nun vorliegt. Er bekräftigt das ECR- Tornado-Verbot und gibt der Fraktion gleichzeitig die Ermächtigung, auch einer Regierungsvorlage zuzustimmen, die genau diese ECR-Tornados losschickt.

Noch als Parteichef hatte Scharping angekündigt, seinen Führungsanspruch in Mannheim am Bosnien-Beschluß deutlich zu machen: An den Einzelheiten wie Flugzeugen dürfe die Zustimmung der Bundestagsfraktion zum Bundeswehrschutz für den Frieden nicht scheitern. Der gestürzte Vorsitzende, nun nur noch Fraktionschef, einigte sich mit Lafontaine auf einen Kompromiß, den beide mit unterschiedlichen Aktzentsetzungen vor den Delegierten vertreten konnten. „Sorgfältig prüfen und dann entscheiden“, hieß Scharpings Vorausschau auf das Fraktionsverhalten. Die Betonung lag auf dem „entscheiden“.

Den neuen und den alten Parteichef eint der Vorwurf an die Bundesregierung, sie wolle die sozialdemokratische Opposition „vorführen“ und versuche, Zwietracht zu säen, indem sie die an sich unnötigen Kampfflugzeuge für den Einsatz vorsehe. „Eine staatsmännische Haltung wäre es, eine breite Mehrheit für die Friedensmission zu suchen“, meinte Lafontaine und kündigte ein Gespräch mit Kohl an. Den parteiinternen Sachstreit, den er selbst angezettelt hatte und dann in Mannheim herunterspielte, suchte Lafontaine offensichtlich nur der großen Linien wegen: Über die Zustimmung zu den Tornados, so unterstellte der neue Parteichef, wollten einige Außenpolitiker aus der eigenen Fraktion die Beschlußlage der Partei gegen die Beteiligung der Bundeswehr an UN-Kampfeinsätzen schleichend aushebeln. Solchen Versuchen werde er „mit aller Entschiedenheit“ entgegentreten, donnerte Lafontaine, und wiederholte diese Drohung noch einmal.

Gegen die Außenpolitiker der Fraktion, die wie Karsten Voigt in Mannheim, vor einem Sonderweg als Folge einer Verweigerung warnten, setzte Lafontaine in der Debatte klare Akzente. Die Absage an jeglichen Kampfeinsatz hob er in den Rang eines unangreifbaren Parteigrundwertes: Sie sei „eine Frage unserer Identität, ein Marken- und Gütezeichen unserer Partei“. Der alte Parteichef hingegen hatte in seiner Rede am Dienstag noch davon gesprochen, kein deutscher Bundeskanzler dürfe einer Anfrage der internationalen Gemeinschaft eine Absage erteilen.