Böll als Bierfälscher

■ Das Thema „Kunst & Rausch“ war im Schlachthof angesagt – die „Titanic“-Besatzung aber laberte über „Schreiben & Saufen“

Eine Erkenntnis wurde sofort schmerzhaft deutlich, als man zur „Titanic“-Lesung zum Thema „Rausch & Kunst“ die Kesselhalle des Schlachthofs betrat: Obwohl sie doch spöttisch lächelnd drüber stehen sollten, huldigen auch FreundInnen der Satire einem Starkult. Hätte das Satireheft nämlich zum Live-Auftritt populäre Zugpferde wie Max Goldt oder Wiglaf Droste dabeigehabt, wäre es sicherlich rappelvoll auf den Rängen gewesen, so aber gähnten doch etliche Bänke vor Unauslastung.

Dabei waren die Lesenden auch nicht gerade grün hinter den Ohren. Zunächst vermochte man das Publikum gekonnt aufs Glatteis zu führen. Die Titanen Schmidt, Henschel und Thomas Gsella hatten sich einen vierten Gast mitgebracht, der den Abend eröffnete. Dieser vierte, Jürgen Roth, wurde von Schmidt als „ein Linksradikaler“ vorgestellt, wie ihn die „Titanic“ aus Quotengründen immer dabeihaben müsse. Er las zunächst einen Aufsatz aus der „Konkret“, der mehr Information als Amüsement bot.

Es ging minutiös um die Trinkgewohnheiten bekannter Schriftsteller, komplett mit zitierten Briefwechseln zwischen Autoren und Spirituosenlieferanten, fing ungefähr bei Adam und Eva an und exkursierte bis in die Gegenwart.

Wie es sich für einen waschechten Linksradikalen gehört, wurde den Trunkenbolden Marx und Engels besonders viel Platz eingeräumt. Christian Schmidt interpretierte das so, daß Jürgen Roth dem Publikum in Wirklichkeit seine marxistischen Lehren unterjubeln wolle. Und das am „historischen Datum“ der SPD-Übernahme: „Unter Scharping wäre das nicht möglich gewesen!“

Dann wurde es aber ganz fix doch noch lustig. Einen Höhepunkt fand der Abend mit einer Performance von Thomas Gsella. Er las eine „autobiographisch gefärbte“ Kurzgeschichte um einen Mann namens Böll (reiner Zufall), der gerne Bier trinkt, aber davon ekligen Ausschlag bekommt. Deshalb muß er sich sein Bier vortäuschen: Weinschorle in eine Bierflasche füllen, Bierflasche in ein Bierglas schütten, für die Färbung eine Brausevitamintablette einwerfen und für die Krone haufenweise Kaffeeweißer.

Das alles machte Gsella, der Mann mit dem vermeintlichen sympathischen Sprachfehler („Falsch: Ich bin sympathisch und habe einen Sprachfehler!“), während des Lesens live vor. Das war eine ziemliche Sauerei, sah keineswegs aus wie Bier (obwohl Gsella der Meinung war) und schmeckte scheinbar auch nicht so. Zumindest machte Roths Miene, der es sich nicht nehmen ließ, mal zu kosten, nicht den Eindruck.

A.N.