High-Speed-Schmutz

■ Das „Rock over Bremen“-Festival sang das Loblied des Rock'n'Roll: Parties, Alkohol und Motorradfahren

Musik zu machen ist schon schwierig genug. Da kann man dankbar sein, wenn einem beim Organisieren und Publikmachen von Auftritten und anderen eher geschäftlichen als musikalischen Aspekten des Musikgeschäfts unter die Arme gegriffen wird. Bei so etwas reicht der „Verein Bremer Rockmusiker e. V.“ gern eine helfende Hand. Zusammen mit dem Jugendfreizeitheim Horn-Lehe veranstaltet er zur Zeit die fünf Herbstkonzerte der Reihe „Rock over Bremen“, bei denen sich jeweils unter einem Motto drei Bands die Ehre geben, die auf Gagen verzichten, damit von den Einnahmen wieder die Frühlingskonzerte auf die Bühne gebracht werden können.

Beim dritten Konzerts dieser Saison am vergangenen Samstagabend kapitulierten die Mottotexter wohl vor der Verschiedenartigkeit der auftretenden Bands. Konnte man sich unter vorangegangenen Slogans wie „Grunge greets groove“ oder „mr. pop and the funky folk“ noch etwas vorstellen, mußten „The Hydroplanes“, „Ann Sucks“ und „Der plötzliche Reichtum“ unter dem kuriosen Motto „Für die einen ist es die längste Praline der Welt...“ aufspielen. Da machte der Oberbegriff „Rock over Bremen“ mehr Sinn: Was die drei Gruppen bei aller Unterschiedlichkeit gemein hatten, war der Rock als dominantes Stilelement.

Am beeindruckendsten und deutlichsten machten davon „Ann Sucks“ Gebrauch. Der Legende nach wurde das Trio dereinst als Duo im Suff gegründet, und Musik für Kostverächter machten sie wahrlich nicht. Ihr High-Speed-Rock'n'Roll ging von der ersten Sekunde an schnurstracks nach vorne los und sorgte auf Anhieb für die bestmögliche Stimmung in einem Saal, in dem zwischen viel Platz nur ab und zu mal ein verlorenes Grüppchen ZuschauerInnen auszumachen war. Die Band selbst bezeichnet ihren Stil als „Schmutz“, und mit sterilen Melodie-Rock hatte das ganze gottlob tatsächlich nichts gemein, aber aus dem Schmutz-Begriff sollte man nicht schließen, daß da Primaten an den Instrumenten standen. Neben der schier unbändigen Energie überzeugten die drei auch durch auf den Punkt gebrachte Musikalität. Solistische Protzerei wäre für sie sicherlich kein Problem gewesen, aber wer braucht das, wenn man auch mit weniger überzeugen kann.

Fazit im Publikum: Ein Luftgitarrist und zwei scherzhafte Feuerzeugschwenker in den langsamen Passagen. Langsamkeit ließ sich glücklicherweise nur in Passagen messen, nicht in Liedern. Fraglich ist, wie die „Rock over Bremen“-unterstützende Aktion „StarGAS“ (Stars gegen Alkohol am Steuer) zu einer Band steht, die so sehr nach Party, Alkohol und Motorradfahren klingt.

Nüchterner, aber dadurch auch musikalisch nuancierter, kamen die „Hydroplanes“ daher. Bei ihrem Rock darf eine Akustikgitarre mitspielen, weshalb sie sich als Folkrocker verstehen. Uramerikanische Musik zu spielen, noch dazu mit englischen Texten, kann bei deutschen Nachwuchsbands leicht peinlich geraten, aber die „Hydroplanes“ fanden sich famos zurecht in den fremden Gefilden. Die Akustikgitarre vertrug sich bestens mit der E-Gitarre, und der Gesang mußte sich kraftvoll und sonor nicht dahinter verstecken.

Ausgerechnet „Der plötzliche Reichtum“, die einzige Band des Abends mit eigener CD, enttäuschte. Beim ersten Song spielten Schlagzeug, Baß und Gitarre des deutsch singenden Hardcore-Trios sogar so unstrukturiert und drucklos aneinander vorbei, als checkte jeder für sich noch den Sound, so daß sich der Saal noch einmal beträchtig leerte und erboste Zwischenrufe der Verbliebenen laut wurden.

Danach gaben sich ein paar gute Ansätze die Ehre, aber durch allzuhäufige Breaks und Tempi-Wechsel mochte man sich daran nie lange erfreuen. Nach zwei deutlich überdurchschnittlich guten und überdurchschnittlich unterhaltsamen Bands mußte das den Todesstoß bedeuten.

Andreas Neuenkirchen