: Gewerkschaften nicht im Bilde
■ Bremer Medientag: Reden über „arbeitnehmerorientiertes“ Fernsehen, aber wenig Handeln
Ungewöhnlich viele Herren, graumeliert, durchstreiften am Samstag das Medienzentrum in Walle. Der erste Bremer Medientag bestätigte das alte Klischee: Öffentlichkeit und Technik sind auch im Zeitalter der Offenen Kanäle noch eine Männerdomäne. Die buntgemischten MacherInnen der Offenen Kanäle waren denn auch deutlich in der Minderheit bei den Diskussionsforen. Nicht sie waren InitiatorInnen des Medientages, sondern der gewerkschaftsnahe Bildungsträger „Arbeit und Leben“. Entsprechend lautete der thematische Schwerpunkt des Tages: „arbeitnehmerorientierte Medienarbeit“.
Die Notwendigkeit, sich für diesemsThema zu engagieren, wird von den Gewerkschaften offenbar schon wahrgenommen. Bislang gibt es freilich kein einziges, dezidiert „arbeitnehmerorientiertes“ Magazin im Bremer Offenen Kanal. Einzig während der letzten Bremer Hüttenkrise waren die Klöckner-Arbeiter motiviert genug, das Medium selbst in die Hand zu nehmen und eigene Beiträge zu produzieren. Wie daran wieder anzuknüpfen wäre, darüber wurde nun erstmal debattiert. 60 Personen aus Bremen und ganz Niedersachsen waren angereist: der VW-Vertrauensmann aus Wolfsburg, der städtische Medienassistent aus Nordenham und der Vertreter der Landesmedienanstalt in Hannover ebenso wie die Mitarbeiterin in spe des Offenen Kanals Oldenburg.
Mehr als ein flirrender Streifen unterschiedlichster Einstellungen wurde in dem zweistündigen Forum durchaus hochrangiger Funktionäre am Samstag jedoch nicht sichtbar. Nur der Medienwerker Jörg Strese von der evangelischen Medienwerkstatt „Horizonte“ versuchte, scharf zu stellen. Doch kaum hatte er berichtet, daß die neuen technischen Möglichkeiten in seinem Bereich praktisch nicht mehr Öffentlichkeit erbracht hatten, griff schon der Öffentlichkeitsreferent des DGB nach der Fernbedienung und versaute das Bild. „Hilfe zur Selbsthilfe“ für interessierte Mitglieder könne und müsse man unbedingt anbieten, fabulierte er. Da platzte dem Kirchenmann der Kragen: „Mensch, ihr habt doch ein anderes Problem. Eure Zeitungen lesen doch jetzt schon nicht einmal eure Mitglieder.“ Die Zustimmung, die er darauf erntete, war allerdings nur geflüstert: „Stimmt. Die Betriebszeitung ist eingegangen. Jetzt gibts Video. Und wir wissen noch nicht mal, wie's geht.“
Gleichviel: Die Nachfrage nach einem medienpolitischen Austausch ist groß. Denn am 1. Januar soll endlich auch in Niedersachsen ein neues Landesmediengesetz in Kraft treten. Dann werden in 18 ausgewählten Versuchsregionen von Nordenham bis Braunschweig die Offenen Kanäle auf Sendung gehen. Ein fünfjähriger Probelauf mit wissenschaftlicher Begleitforschung ist geplant.
Anders als in Bremen gibt es in Niedersachsen neben dem Offenen Kanal noch ein weiteres Konstrukt: das sogenannte nichtkommerzielle lokale Radio (NKL). Das soll sich durch seinen starken journalistischen Anspruch und eine feste Redaktion vom Offenen Kanal unterscheiden. Denn dieser verfolgt eher einen medienpädagogischen Ansatz, der den einfachen Zugang zu den elektronische Medien für alle bieten soll.
Vor diesem Hintergrund war der Medientag in Bremen nicht nur ein nachbarschaftliches Ereignis. Es ging vor allem um die praktische Anschauung von Offenem Kanal, Videowerkstatt Westend und Radio Parkstraße. Von der Vielfalt der Medieneinrichtungen, die in Bremen mit dem neuen Landesmediengesetz vor rund vier Jahren kamen, träumt man in manchen Teilen Niedersachsens schon.
Aber auch auf das Geld, das nun in Niedersachsen aus Rundfunkgebühren fließt, werfen Bildungsträger einen begehrlichen Blick. Schließlich sinken die Einnahmen im Bildungsbereich ständig. Da paßt es gut, daß die Qualitätsstandards der ehrenamtlichen, bürgerorientierten Produktionen sehr schwankend sind. In diese Lücke will nun „Arbeit und Leben“ mit einem neuen Bildungsschwerpunkt „Medien“ stoßen und, so wurde es auf dem Medientag versprochen, den KanalarbeiterInnen in spe künftig eine fachliche Fortbildung ermöglichen. Das alles bewegte sich beim Medientag allerdings auf dem Niveau von Absichtserklärun-gen. Die IG Metall jedenfalls wartet jetzt erstmal wieder auf eine Initialzündung von außerhalb. Bei der abschließenden Diskussion am Abend im Offenen Kanal forderte der Bremer Gewerkschaftsvor-sitzende Manfred Muster allen Ernstes vom O.K.-Team: „Sie müssen doch mal mehr auf uns zukommen!“ ede
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