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SanssouciVorschlag

■ „Bent – Rosa Winkel“ von Martin Sherman im Oblomov-Theater

Kai Ruß in „Bent – Rosa Winkel“. Foto: Thomas Aurin

Totgeschlagen – totgeschwiegen. Genaue Zahlen, wie viele Schwule von den Nazis in den Konzentrationslagern umgebracht wurden, gibt es bis heute nicht. Die Forschung über die Verfolgung derjenigen, die mittels des unverändert weiterexistierenden Paragraphen 175 auch nach der braunen Gewaltherrschaft nahtlos weiterkriminalisiert wurden, steckt noch in den Anfängen. 50 Jahre nach Kriegsende. Bezeichnenderweise hat ein Amerikaner das Thema fürs Theater entdeckt. Seit der Uraufführung 1979 wird Martin Shermans „Bent“ viel gespielt, auch in Deutschland.

1934, nach der Entmachtung und Ermordung des (schwulen) SA-Chefs Ernst Röhm, ist es mit der Duldung der Homosexuellen vorbei. Der leichtlebige Max und sein Freund Rudi müssen aus Berlin fliehen. Durch einen Verrat werden sie von der Gestapo gefaßt. Im Zug ins KZ, wo Max, um sein eigenes Leben zu retten, die Ermordung des Geliebten in Kauf nimmt, lernt er den Rosa-Winkel-Häftling Horst kennen. Max will überleben, selbst um den Preis der Selbstaufgabe. Im Konzentrationslager kann er so geschickt lavieren, daß er anstatt des rosa Winkels den gelben Stern bekommt. Trotzdem entwickelt sich eine Beziehung zu Horst. Eine Liebe aus Distanz, denn die Entdeckung hätte für beide tödliche Konsequenzen.

Starke Schauspieler braucht dieser vielschichtige Kampf um Würde und Nähe in einer menschenverachtenden Situation. Solche hat das Theater Fürst Oblomov nicht. Statt Maxens Weg vom Überlebenshandel zur kompromißlosen Selbstachtung herauszuschälen, macht Regisseur Jürgen Bonk aus der Vorlage eine überfrachtete Multimedia-Passion. In den ersten Teil sind Videos eingeschoben. Ein Sammelsurium der Geschichtsbilder – von der Bücherverbrennung bis zu einem Propagandastreifen über „unwertes“ Leben. Das nivelliert eher den Gegenstand, als daß es Zusammenhänge erklärte. In den KZ-Szenen tauchen dann der ermordete Freund als gekreuzigter Christus auf sowie ein martialisch singender Transvestit. Dieser platt kopierte Angels-in-America-Symbolismus zerstört die atemlose Kargheit der Gefühlsäußerungen völlig, mit der Autor Sherman seine Protagonisten quälend langsam zueinanderfinden läßt. Ständig übereinandergehäufte Emotion führt zu unfreiwilliger Komik, nur nicht zu Betroffenheit. Und für gefühligen Trauerkitsch taugt dieses aufwühlende Stück erst recht nicht. Gerd Hartmann

„Bent – Rosa Winkel“ von Martin Sherman, 21. bis 25.11., jeweils 20 Uhr im Theater Fürst Oblomov, Neue Promenade 6.

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