Bruchlandung für Potsdamer Expertise

■ Neues Gutachten der Flughafen Holding räumt für Großflughafen Schönefeld Hürden aus dem Weg. Negatives Urteil des Umweltministeriums nicht bindend, gegen Sperenberg sprechen Anbindungskosten

Juristisch spricht nichts mehr gegen den Bau eines neuen Großflughafens am Südrand des heutigen Flughafens Schönefeld. Zu diesem Schluß kommt ein in der vergangenen Woche fertiggestelltes Rechtsgutachten, das die Berlin Brandenburger Flughafen Holding (BBF) in Auftrag gegeben hat und das der taz vorliegt.

Die „negative Beurteilung“ des Standortes Schönefeld-Süd durch das Brandenburger Umweltministerium von Ende 1994 „kann in jedem Fall überwunden werden“, schließt Udo Steiner, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Regensburg, die 46seitige Expertise.

Das vom Umweltminister und Schönefeld-Gegner Mathias Platzeck verantwortete Raumordnungsverfahren hatte Sperenberg eindeutig als besser geeignet eingestuft. Die Potsdamer Expertise hatte anschließend zu Vorwürfen geführt, Schönefeld solle aus durchsichtigen politischen Gründen aus dem Rennen geboxt werden.

Das Raumordnungsverfahren werfe methodische Zweifel auf, „die rechtlich erheblich sind“, meint der Rechtsprofessor. So sei die vom Umweltministerium aufgestellte Formel „Mensch höher als Natur“ problematisch, da der Schutz von Natur und Landschaft mit der Erhaltung allen Lebens auf der Erde untrennbar verbunden sei. Daß Schönefeld wegen fehlenden Katastrophenschutzes ungeeignet sei, hält Steiner ebenfalls für „kaum vorstellbar“. Schließlich werde der Flughafen von Fachleuten als verhältnismäßig sicher eingeschätzt.

Bei der Wahl des Standortes seien Umweltbelange und die Ziele der Landesentwicklung nur „Teil des Abwägungsmaterials“. Andere zu berücksichtigende öffentliche Belange seien die „Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“.

Die Investitionen für Straßen- und Eisenbahnverbindungen fielen im Gegensatz zum entfernter gelegenen Standort Sperenberg beim Standort Schönefeld-Süd „in vergleichbarem Umfang nicht an“. Während neue Straßen und Schienen nach Schönefeld rund 400 Millionen Mark kosteten, müßten für die Verkehrsstränge nach Sperenberg 1,3 Milliarden Mark aufgewendet werden.

Professor Steiner hat auch Zweifel an weiteren Aussagen des Potsdamer Raumordnungsverfahrens. So seien die nicht abschließend geklärten Aufwendungen für die Sanierung der ehemaligen Militärflächen im Raum Sperenberg einzubeziehen. Die höheren Ausgaben für Lärmschutz, für den Erwerb privater Grundstücke und für notwendige Umsiedlungen seien gegenzurechnen.

Laut dem Regensburger Rechtsprofessor ist bei der vor einem Jahr abgeschlossenen Umweltverträglichkeitsprüfung nicht das letzte Wort gesagt. Das Verkehrsministerium könne die konkreten Umweltauswirkungen bei Bedarf neu ermitteln und bewerten. Die Fachplanungsbehörde werde außerdem nicht daran gehindert, trotz der zu erwartenden Lärmbelastung sich für einen Ausbau Schönefelds zu entscheiden.

An den Grundsatz des Umweltministeriums, „Mensch höher als Natur“ – lieber 22 Millionen Bäume in Sperenberg fällen als 1.000 Menschen in Diepensee und Rotberg nahe des Flughafen Schönefelds umsiedeln –, sei die entscheidende Behörde nicht gebunden. Dies gelte um so mehr, als erst in noch folgenden Verfahren die Flughafenanlage baulich und betrieblich optimiert werden könne. Dirk Wildt