Shell und die Loyalitätskarte Von Ralf Sotscheck

Die Registrierkasse im Supermarkt ist höflich: „Willkommen bei Superquinn, Herr Sotscheck“, steht auf der grünen Digitalanzeige. Und nachdem ich bezahlt habe, bittet die Kasse: „Komm bald wieder, Herr Sotscheck.“ Das Gerät kennt mich, weil ich im Besitz einer „Loyalitätskarte“ bin, auf der mein Name als Strichcode gespeichert ist. Jedesmal, wenn ich ein Pfund bei Superquinn oder einem anderen angeschlossenen Unternehmen ausgebe, schreibt mir die Kasse einen Superclubpunkt auf meinem Computerkonto gut. Eine feine Sache, erhält man doch ein wertvolles Geschenk, wenn man genügend Punkte gesammelt hat. Für 350 Punkte gibt es zum Beispiel drei Whiskeygläser. Das heißt, man muß für umgerechnet 800 Mark einkaufen, bevor man stolzer Besitzer der Gläser wird. Um sie zu füllen, muß man knapp 7.000 Mark ausgeben: Eine Flasche Whiskey kostet 3.000 Punkte. Und für 40.000 Punkte gibt es einen CD-Spieler. Bis man die zusammen hat, ist das Gerät vermutlich museumsreif. Sogar Billigflüge werden angeblich dank Superclub möglich: Nach Berlin kommt man für 289 Pfund, wenn man 2.000 Punkte gesammelt hat. In jedem Reisebüro kann man den gleichen Flug für 250 Pfund buchen – ohne Superpunkte.

„Loyalitätskarten“ sind zur Zeit der große Hit in Irland und Großbritannien. Außer der Kundenbindung haben sie noch einen weiteren Vorteil für die Unternehmen: Die Registrierkassen notieren nicht nur die Punkte, sondern auch die komplette Einkaufsliste. Mit der Zeit ist die Kundschaft ein offenes Buch: Mrs. O'Brien kauft stets ein Sixpack Bier, wenn abends Fußball übertragen wird, Mr. Taylor ersteht jeden Samstag ein Kondom, und Familie Harbison trinkt keinen französischen Wein mehr – wegen Atomtests.

Meistens tun sich bei den Loyalitätskarten Unternehmen verschiedener Branchen zusammen. Doch manchmal passen die Firmen nicht so recht zusammen. BP will im nächsten Jahr eine gemeinsame Karte mit Thresher, der Schnapsladenkette, herausbringen. Der Plan sorgt für Unruhe: „Alcohol Concern“, der Verband zur Abwendung der Gefahren des Alkohols, warnte, daß eine solche Kombikarte dem Alkohol am Steuer förderlich wäre. „Die Menschen, die zum Schnapskauf animiert werden, sind ausgerechnet Autofahrer“, klagte die Organisation. So attraktiv sind die freien Gaben aber nun wirklich nicht, daß die Autofahrer deshalb ständig biertrinkend ums Karree fahren werden. Shell hat sich im vergangenen Monat mit der Zeitschriften- und Buchladenkette John Menzies zusammengetan. Wer also mit dem Auto zur Buchhandlung fährt, um ein Buch von, sagen wir, Ken Saro- Wiwa zu erstehen, profitiert also gleich doppelt.

Vielleicht steigt ja auch noch Greenpeace bei der Shell-Karte ein. Schließlich investiert der Konzern in das nigerianische Naturgasprojekt zum Wohle des Volkes und der Umwelt, „weil diese Anlage echte Vorteile mit sich bringt, nämlich eine erhebliche Reduzierung der offenen Gasverbrennung durch die Ölindustrie“, wie es in einer ganzseitigen Shell-Zeitungsanzeige vom Freitag heißt. Die Ölindustrie? Vielleicht sollte Shell zum Wohle der Wahrheit lieber eine gemeinsame Loyalitätskarte mit dem Ku-Klux-Klan herausbringen.