■ Nebensachen aus Rom
: Versuch's noch einmal, Pavarotti!

Die bange Frage lautet: Kann er noch, oder kann er nicht mehr? Nein, es geht um Luciano Pavarotti und nicht um seine Lendenstärke, sondern um die Intaktheit seiner Stimmbänder. Diverse Male hat ihm die Stimme versagt – oder doch nicht? War's nur ein Verschlucker, wie sein Sekretariat behauptet, oder schon die finale Verheiserung, die Italiens nach der Fußballnationale zweitbeliebtesten Ausfuhrartikel allmählich zur Lachnummer macht? Fakt ist, daß er vorige Woche in der New Yorker Metropolitan beim zweiten Einsatz einen kläglichen Stimmversager hatte. Die Frage spaltet die Nation. „Nein, ich glaube, der müßte schon noch können“, macht sich der Leiter eines Kirchenchors südlich von Rom Mut. Und aus Modena, wo der Divo herstammt, kommt zumindest der moralische Beistand, den man in solchen Situationen braucht: „Luciano, das schaffen wir“, rief eine Hausfrau ins Mikrofon des höchst besorgten Lokalsender und versprach, ihm einen Schal zu stricken, denn „sicher hast du nur irgendwo Zugluft bekommen“.

Doch, daß was nicht stimmt bei L. P., munkeln Eingeweihte seit langem. Daß er, seiner 60 Jahre zum Trotz, noch Vater werde, allerdings nicht mit seiner Angetrauten, sondern einer Freundin, stand schon lange in den Gazetten. Daß er seinen dritten Frühling mit jener Neuerwählten verbringen wolle, ebenfalls. Das aber dementierte das Sekretariat böse, schließlich gilt Pavarotti auch als moralischer Mustermensch.

Zerstreut kommt er manchen KonzertgängerInnen aber doch vor. Bei einer Veranstaltung in Mailand bemerkten seine Fans entsetzt, daß der Mann vergessen hatte, wie gewohnt Schuhcreme auf seine Hinterhauptglatze zu schmieren, mit der er seinen schütter werdenden Haarwuchs zu überdecken pflegt. „Unglaublich“, kommentierte sein Konzertmeister den Faux-pas, als ihn ein Kontrabassist mehrmals darauf aufmerksam gemacht hatte.

Die italienische Presse scheint diesmal allerdings entschlossen, den Mann mit Zähnen und Klauen zu verteidigen: „Nur keine Panik“, meinte der Corriere, der die ersten Meldungen über ein mögliches Karriereende als Ausfluß „der großen Zuneigung und Sorge um ihn“ interpretiert. „Wir haben nur den einen“, barmt einer der Berlusconi-TV-Kanäle, und selbst die sonst dem Tenor nicht so gewogene La Repubblica fragt nur: „Die Stunde der Wahrheit für Pavarotti?“ und macht ihm Hoffnung: „Versuch's noch einmal, Pavarotti.“ Der staatliche Rundfunk RAI erklärte alles zu einer schäbigen Intrige des Auslands und speziell der New Yorker Presse, die Pavarotti schon seit Jahren mißtrauisch begleitet.

Daß der Vorzeigeträllerer rein physisch keineswegs am Ende sein müßte, bestätigen Gesangsexperten zuhauf. Doch die meisten von ihnen sehen den schwergewichtigen Luciano seit vielen Jahren auf einer gefährlichen Bahn: Allzusehr hat er sich allüberall verdingt, wo fette Gagen warten. Pavarotti hat mit Popsängern geschmettert und Musicals gesungen, Volksmusik aufgenommen und ausländisches Liedgut veritalienisiert. Alles, statt seine Falsettarien weiterzupflegen, durch die er berühmt wurde.

Allzulange darf er mit einem klaren stimmlichen Virilitätsbeweis nicht mehr warten. Schon einmal, bei der Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft 1990, war ihm ein Teil seiner Fans davongelaufen: Da hatte er der Welt „O sole mio“ vorgesungen. Darüber hatten sich die Neapolitaner heftig aufgeregt, denn einer aus Modena, also fast vom Nordpol hergelaufener Sänger, hat dieses Lied gefälligst nicht vor aller Welt zu veropern. Werner Raith