Fast die halbe Welt sperrt Europa aus

In Japan einigten sich 18 Pazifikstaaten, in denen fast 40 Prozent der Weltbevölkerung leben, auf einen ehrgeizigen Integrationsplan. China senkt die Zölle ab Januar um 30 Prozent  ■ Aus Osaka Georg Blume

Seit dem ersten Gipfeltreffen des asiatisch-pazifischen Wirtschaftsforums (Apec) vor zwei Jahren in Seattle galt dieser riesige Staatenverbund im Pazifik vielen Beobachtern als totgeborenes Kind. Wie sollte eine einzige Organisation es vermögen, die Interessen so unterschiedlicher Länder wie Brunei, ein Sultanstaat mit nur 270.000 Einwohnern, China, das bevölkerungsreichsten Land der Erde, und den USA unter einen Hut zu bekommen?

Der dritte Apec-Gipfel in Osaka könnte die Skeptiker nun eines Besseren belehren. War in Seattle 1993 nur von der blumigen Vision einer „asiatisch-pazifischen Gemeinschaft“ die Rede gewesen, und hatte sich der Gipfel im letzten Jahr in Indonesien noch auf die Festlegung eines einzigen strategischen Ziels, nämlich einer Freihandelszone für das Jahr 2020, festgelegt, so legten die 18 Staats- und Regierungschefs der Apec in Osaka einen Plan vor, der langfristig alle wichtigen politischen Probleme der Region berührt. Offenbar war den meisten pazifischen Regierungen klargeworden, daß es zu einem institutionalisierten regionalen Koordinationsmechanismus außerhalb der Apec keine Alternative gibt.

Den Beweis für die Dynamik des Apec-Prozesses lieferte am Sonntag allen voran die chinesische Regierung: Ihre Ankündigung, schon im nächsten Jahr die Zolltarife für 4.000 Warengruppen um 30 Prozent zu senken, verspricht allen anderen Ländern der Region unmittelbare Handelsgewinne. Dabei kommen diese Maßnahmen auch den außerpazifischen Ländern zugute. Insbesondere bezüglich der gestern von allen Regierungen vorgetragenen Pläne zur Handelsliberalisierung definiert sich die Apec weiterhin als weltoffene Organisation, die die internationalen Absprachen der Welthandelsorganisation (WTO) nicht unterlaufen, sondern beschleunigen will.

Allerdings macht die Aktionsagenda von Osaka bei der Handelsliberalisierung nicht halt. Gerade auf der Koordination der staatlichen, interventionistischen Wirtschaftspolitik zwischen den Regierungen gründet sich die Behauptung der japanischen Gastgeber, das Treffen von Osaka habe den Grundstein für einen „einzigartigen asiatisch-pazifischen Weg“ regionaler Integration gelegt. So ist beispielsweise in der „Aktionsagenda“ nicht von einer Deregulierung der in Asien meist staatlich kontrollierten Kommunikationsindustrie die Rede, sondern von einer pazifischen Anpassung der Zulassungsvorschriften für Mobiltelefone. Für die Beobachter von der Europäischen Union gab das begründeten Anlaß zur Sorge: Denn wenn Apec hier in Zukunft Industrienormen festlegt, die mit den europäischen bewußt nicht konform gehen, könnten europäische Unternehmen im Pazifik wesentlich benachteiligt werden.

Das gleiche gilt für den Energiebereich. Hier fordert die Aktionsagenda eine Harmonisierung der Energiestandards innerhalb der Apec. Das könnte Unternehmen wie Siemens und ABB, die in Asien derzeit stark investieren, einerseits nützen, wenn es zu gleichen Investitionsbedingungen innerhalb der Region führt. Es könnte diesen Unternehmen aber auch schaden, wenn die Regierungen ihre Standards vornehmlich mit Unternehmen aus Apec-Ländern absprechen. Völlig neue Felder will die Apec in Zukunft in den Bereichen der Umwelt- und Sicherheitspolitik beschreiten.