Überraschungen satt

■ Am Wochenende ging das diesjährige Kinderfest mit dem Stück „Sofie“ zu Ende / Der Fortbestand ist bedroht

Es ist eine Geschichte übers Sterben. Die kleine Sofie ist totkrank. Doch in ihrer letzten Nacht geht sie auf Reisen, gemeinsam mit ihrer Lieblingspuppe „Langer Lappen“, mit Puppe „Annabel“, dem Stoffbären und Kater „Terror“. Sie gerät von einem Abenteuer ins nächste, erlebt Lebensgefahr, Gefängnis, Hochmut und Eifersucht, Freundschaft und Glück, kurz: all das, was sie auf dem Krankenlager nie erlebte. Für ihre Fragen nach dem Zusammenhang der Welt findet sie eigene Antworten und nicht die der Erwachsenen.

Sofie – oder was das Leben noch zu bieten hat ist ein Roman von Els Pelgrom, den Peter Rindknecht und Simon Hostettler für die Bühne und sich bearbeitet haben: zu einem ergreifenden, mitreißenden, hochintelligenten und doch einfach scheinenden und klaren Stück Erzähltheaters, dabei auf ein paar wenige Requisiten gestützt. Die beiden Schweizer zaubern eine innige Welt hervor, diese zutiefst ernst nehmend, sich einer genialen Formsprache bedienend. Aus der Verquickung der sich ihrer selbst stets bewußt bleibenden Erzähler – der eine mit Worten, der andere am Flügel – mit der von ihnen geschaffenen Welt entspringt eine unglaubliche Spannung und Bildhaftigkeit.

Während Rindknecht in seiner Rolle des alten Erzählers „Jerom“ zum Beispiel beschreibt, wie Sofie fast im Sumpf ertrinkt, durchnäßt ihn sein Pianist unabhängig davon mit aufgefangenem Regenwasser. Voilà! Als Sofie schließlich stirbt, zieht er schlicht den Stecker aus dem Tonbandgerät, das einen Großteil der Erzählung erklingen ließ. Ein Handgriff von umwerfender Aussagekraft. Und der Schluß einer harmonischen Spielentwicklung, die Gefühle der Trauer ebenso weckt wie sanft auflöst und mit der überraschenden Einsicht in Leichtigkeit und Natürlichkeit des Sterbens entläßt.

Mit diesem wundervollen Gastspiel im Fundus Theater ging gestern das Kinderfest zu Ende, das am 17. September mit dem großen SpielFest am Völkerkundemuseum begonnen hatte. Schon zum zehnten Mal hat Stephan Löwis mit seinem KinderKinder e.V. das Kinderfest nun organisiert. Und ist immer wieder für Überraschungen gut. Ob das nun die Musik eigens angereister Kinder aus Shanghai war, die unglaubliche Tonmaschine von Frêdêric Le Junter oder eine selten zu sehen Preziose wie der Scherenschnittfilm Die Abenteuer des Prinzen Achmed aus den 20er Jahren. Sollten – wie immer wieder mal angedroht – die Fördermittel für das Kinderfest fortfallen, dann würde übergreifende Kinder-Kultur-Arbeit in Hamburg nicht mehr existieren. Ludwig Hugo