Störgeräusche

■ Morgen im Tower: Das Weeth Experience, Rock ohne Rauschbereiniger

Ein Gitarrenton ist nicht einfach nur eine Note – auch der Sound macht die Musik. Das besondere an Das Weeth Experience ist, daß bei ihnen die Geräusche drumherum einen mindestens gleich großen Stellenwert wie die eigentliche Note haben. Selten bewies ein Band so eindrucksvoll, wie man auf der Basis des altbackenen Krautrockes mit dem Eigenleben der Störgeräusche Neues schafft.

Im Radio wird man Das Weeth Experience niemals hören. Statt in dreieinhalb Minuten auf den Punkt zu kommen, entwickeln sich die Stücke des Hamburger Trios schleichend langsam. Bis zum ersten Chorus scheinen Stunden zu vergehen. Die aber sind äußerst kurzweilig. Live wird, je nach Stimmung, feste improvisiert, umgestellt. Aber man spielt nicht nur mit dem eigenen Material, sondern kokettiert einfallsreich mit den Musik-Traditionen, in den sich die Hanseaten sehen. Und das sind neben dem nicht gern gehörten Krautrockvergleich die Dröhneorgien von Velvet Underground, denen per Coverversion gehuldigt wird. Oder jene Mutationen des Blues, die sich Nick Cave oder P.J. Harvey angeeignet haben – traurig wie Johnny Cash, aber noch viel, viel kaputter.

Zum anderen aber schwebt über dem soliden Rhythmusgerippe aus geduldigem Bass und Schlagzeug eine schier unglaubliche Gitarre. Christof Jessens Sound ist dermaßen transparent, daß man fast das Baujahr seines sechssaitigen Schinkens zu hören glaubt. Der klingt, als müßte er irgendwann um die Blütezeit eines Neil Young geschnitzt worden sein: in der Note sauber, im Klang ungeschliffen. Digitale Rauschbereiniger kommen gar nicht erst auf die Bühne. Es scheppert, klirrt und klingelt, jedes Kabel, jeder Wackelkontakt hinterläßt wichtige Spuren. Statt technisch versierter, aber gelühlskalter Skalenreiterei wird technisch simpel, aber klanglich fulminant nach neuen Ausdrucksformen gesucht. Und das gelingt dermaßen spannend, daß man auch gern über Jessens stimmbandliches Mittelmaß hinwegsieht. Hat ja auch mit dem Zähmen seiner Sechssaitigen genug zu tun, der gute Mann. Jessen zähmt die Sechssaitige.

Lars Reppesgaard

Morgen um 21 Uhr im Tower