Nur jeder fünfte Wachpolizist war ehrlich

Im Skandal um die Wachpolizei gibt es nach Polizeiangaben bislang keine Hinweise dafür, daß nicht auch in anderen Direktionen die Arbeitspläne manipuliert wurden  ■ Von Plutonia Plarre

Bei Wind und Wetter sieht man sie mit hochgeschlagenem Kragen bibbernd vor dem Reichstag stehen oder einsam um die Jüdische Gemeinde ihre Kreise ziehen. Doch Mitleid mit den Objektschützern will sich zur Zeit nicht so recht einstellen. Schuld daran ist der jüngste Polizeiskandal, der selbst die Machenschaften der Freiwilligen Polizeireserve (FPR) in den Schatten stellt.

365 Wachpolizisten und ein Polizeibeamter der Direktion 4 stehen mittlerweile im Verdacht, an der Manipulation von Dienstplänen beteiligt gewesen zu sein (die taz berichtete). Die Unstimmigkeiten in dem Bereich mit rund 500 Wachpolizisten waren Mitte Oktober bei einer internen Überprüfung aufgefallen. Durch die Manipulation der im Computer erstellten Pläne sollen die Wachpolizisten Lohn für Dienstschichten erhalten haben, bei denen sie überhaupt nicht tätig waren. Die Hauptvorwürfe richten sich gegen vier Diensteinteiler und einen leitenden Polizeibeamten. Ob tatsächlich nur jeder fünfte Wachpolizist der Direktion sauber blieb, ist nicht abschließend geklärt. Möglich, aber unwahrscheinlich erscheint jedoch, daß die Namen der unter Verdacht stehenden 365 Wachpolizisten von anderen Tätern mißbraucht wurden.

In Berlin gibt es insgesamt 2.414 Wachpolizisten, 150 davon sind Frauen. Sie sind Angestellte und nur für den Objektschutz zuständig. Zu den rund 1.000 gefährdeten Objekten gehören vor allem jüdische und türkische Einrichtungen sowie diplomatische Vertretungen und Bundesgebäude. Die Wachpolizisten tragen eine Schußwaffe, dürfen aber nur gefahrenabwehrend tätig werden. Der „wenig aufreibende Job“ ist nach Angaben des für Grundsatzangelegenheiten der Wachpolizei zuständigen Polizeihauptkommissars Siegfried Adam so begehrt, daß es immer mehr Bewerber als Stellen gibt. Die meisten Anwärter, die nicht älter als 35 sein dürften, seien von Arbeitslosigkeit bedrohte Handwerker.

Unterstellt sind die Wachpolizisten den sieben Polizeidirektionen der Stadt, wo sie den einzelnen Abschnitten zugeteilt sind. Welcher Polizist zu welcher Zeit vor welchem Objekt Dienst schiebt, wird jedoch im Hauptquartier, also der Direktion, entschieden. Ein Sachbearbeiter ist für rund 100 Wachpolizisten zuständig.

Kaum zu glauben, aber wahr: In der Mehrzahl der Direktionen erfolgt die Dienstplaneinteilung nicht am Computer, sondern noch „per Hand“, in einen „Käsekästchenvordruck“, so Polizeihauptkommissar Adam. Die wegen der Dienstplanbetrügereien in die Schlagzeilen geratene Direktion 4 sei 1991/92 eine der ersten gewesen, die Computer für die Dienstpläne der Wachpolizisten bekam. Die für die Bezirke Zehlendorf, Schöneberg, Steglitz und Tempelhof zuständige Direktion gehört zu den größten Berlins und verfügt damit über acht Abschnitte und 500 Wachpolizisten. Dafür, daß auch in anderen Direktionen Manipulationen an Dienstplänen vorgenommen wurden, gibt es laut Adam bisher keine Erkenntnisse. Ob dies auch bei Polizeibeamten möglich sei? Der Polizeikommissar hält dies für kaum möglich, weil bei den Beamten die Kontrolle größer sei: Sie würden direkt auf ihren Abschnitten zum Dienst eingeteilt und dort auch in den entsprechenden Listen geführt.