: Haushaltsloch wird immer tiefer
■ "Kassensturz": Finanzsenator Pieroth schließt nicht aus, daß das Haushaltsdefizit in diesem Jahr auf drei Milliarden Mark anwächst. SPD hatte geringe Erwartungen an die gestrigen Gespräche mit der CDU
Die dramatische Finanzlage wird immer auswegloser. Das diesjährige Haushaltsloch droht auf eine Größe von knapp drei Milliarden Mark anzuwachsen. Diesen Betrag nannte Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) in einem Papier, das er für das gestrige Gespräch zwischen CDU und SPD zur Haushaltssituation vorbereitet hatte. 1996 werde sich das zusätzliche Defizit „im schlechtesten Fall“ auf 4,4 Milliarden Mark belaufen, so der Finanzsenator.
Bislang war Pieroth für dieses Jahr von einem Haushaltsloch von 1,7 Milliarden und im kommenden Jahr von vier Milliarden Mark ausgegangen. Der Landeshaushalt hat ein Gesamtvolumen von 43 Milliarden Mark. Die Finanzlage war gestern abend Thema bei einem zweiten Sondierungsgespräch zwischen SPD und CDU.
Doch sozialdemokratische Spitzenpolitiker erwarteten nur wenig. „Was die neuen Zahlen bedeuten, wird heute abend nicht klarer werden“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Helmut Fechner. Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung dementierte, daß es für die SPD dadurch einen neuen Stand gebe. Die Beschlüsse des Parteitags hätten weiterhin Gültigkeit, ein Verkauf landeseigener Wohnungsbaugesellschaften oder Teilen davon werde es mit der SPD nicht geben. Auch würden nicht mehr als die bislang geplanten Kredite im kommenden Jahr aufgenommen werden.
Aus Reihen der CDU wurden bereits Vorschläge gemacht, mit denen der Regierende Bürgermeister Diepgen, CDU-Fraktionschef Landowsky und CDU-Generalsekretär Ernst den Sozialdemokraten entgegenkommen wollen. Durch den Verkauf von schlecht genutzten Dienststellen, Hochschulvillen und Schullandheimen in Spitzenlagen könnten drei Milliarden Mark eingespart werden. Das Bauen soll billiger und bislang öffentliche Einrichtungen durch Privatunternehmen betrieben werden, was eine weitere Milliarde Mark bringen soll. Die „überdimensionierte“ Bauverwaltung soll abgespeckt und in der Wasserstadt Oberhavel nach der ersten Baustufe ein Baustopp verhängt werden.
Die Ausgaben im sozialen Wohnungsbau sollen ebenfalls um eine Milliarde Mark jährlich gekürzt werden. Die CDU will statt einer Erhöhung der Lehrerarbeitszeit zukünftig größere Klassen einrichten.
Vor dem Gespräch bezweifelte SPD-Fraktionschef Klaus Böger, daß Pieroth alle Haushaltslücken aufgedeckt habe. So würden auf Berlin jährliche Ausgaben von zusätzlich zwei Milliarden Mark zukommen, weil möglicherweise nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts die Gehälter im öffentlichen Dienst im Ostteil schneller an die Westgehälter angeglichen werden müssen als geplant. Auch würden sich etwa die Einnahmen von 800 Millionen Mark beim Verkauf von Bau-Darlehen auf nur rund 530 Millionen Mark belaufen.
Mit der CDU wird es zwei weitere Gespräche morgen und am kommenden Montag geben. Die Verhandlungskommission der SPD besteht aus dem Landesvorsitzenden Dzembritzki, der gescheiterten Spitzenkandidatin Stahmer, dem Fraktionsvorsitzenden sowie Schatzmeister Benneter. Mitte Dezember soll ein SPD-Parteitag für oder gegen die Große Koalition votieren. Dirk Wildt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen