Wer in Berlin bleiben wollte, mußte zahlen

■ 36jähriger Beamter der Ausländerbehörde erteilte 57 Asylbewerbern zu Unrecht eine Aufenthaltsgestattung

In der Ausländerbehörde ist ein neuer Korruptionsfall bekanntgeworden. Wie Justizsprecher Rüdiger Reiff gestern bestätigte, wird einem 36jährigen Angestellten vorgeworfen, Asylbewerbern zu Unrecht „Aufenthaltsgestattungen“ für Berlin erteilt zu haben. Er soll damit 1992 und 1993 in 57 Fällen Asylbewerbern ermöglicht haben, in Berlin zu bleiben, anstatt nach einem Schlüssel in andere Bundesländer verteilt zu werden.

Für die zu Unrecht erteilten Genehmigungen kassierte der Beamte jeweils zwischen 900 und 2.500 Mark. Die Hälfte davon soll an einen Gerichtsdolmetscher geflossen sein. Der 56jährige Deutsch-Syrer soll den Kontakt zwischen dem Beamten und den Asylbewerbern vermittelt haben, die vor allem aus dem Nahen Osten stammen. Der Dolmetscher hatte unter anderem auch im Mykonos-Prozeß im Zusammenhang mit dem Attentat auf vier Kurden von 1992 übersetzt.

Die beiden Beschuldigten wurden bereits am 28. August verhaftet, erhielten jedoch inzwischen Haftverschonung. Wie Justizsprecher Reiff mitteilte, dauern die Ermittlungen noch an. Es sei aber damit zu rechnen, daß noch in diesem Jahr Anklage erhoben werde. Beide Beschuldigten seien teilweise geständig.

Erst in der vergangenen Woche war der Restaurantbesitzer Airong X. zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt worden, weil er zwei Beamte bestochen hatte. Der Mann chinesischer Abstammung hatte gestanden, zwischen 1990 und 1995 einem Beamten des Landeseinwohneramtes insgesamt 5.000 Mark für Aufenthaltsberechtigungen bezahlt zu haben. In mindestens 26 Fällen war der Beamte auf den Wunsch des Chinesen eingegangen und hatte manipulierte Empfehlungsschreiben an die deutsche Botschaft in Peking gesandt, um Verwandte und Bekannte von X. die Einreise zu ermöglichen. Dieser gab zu, weitere 20.000 Mark an einen anderen Beamten der Innenverwaltung gezahlt zu haben, der für die Einreisegenehmigungen auch die Unterschrift seines Chefs gefälscht habe. Das Verfahren gegen die beiden deutschen Beamten wegen Bestechlichkeit wurde von den Untersuchungen gegen X. abgetrennt und wird gesondert verhandelt.

Nach Angaben aus Justizkreisen war die Geschichte aufgeflogen, als Beamte von Zoll und Bundesgrenzschutz darauf aufmerksam wurden, daß immer häufiger Verwandte von hier lebenden Chinesen mit Aufenthaltsgenehmigungen einreisten. Eine Überprüfung der Eingereisten habe ergeben, daß diese sich häufig in einem Restaurant trafen, dessen Eigentümer X. war. Der wiederum hatte Kontakte zu einem Beamten der Ausländerbehörde, der bei der Vernehmung durch die Polizei sofort die Tat gestand und seinen Kollegen belastete. keg/bpo/win