■ Budget-Kompromiß in den USA: Worüber noch niemand spricht ...
Eine „Übereinkunft auf Grundlage gegenseitiger Zugeständnisse“ nennt man laut Fremdwörterbuch einen „Kompromiß“. Ein solcher ist nun in Washington zwischen der Clinton-Administration und dem republikanisch dominierten Kongreß zustande gekommen, um die temporäre Zahlungsunfähigkeit des Bundes zu beenden. Nur übersieht man nach dem Drama des Zwangsurlaubs für 800.000 Bundesangestellte – angereichert durch die pubertäre Theatralik eines Newt Gingrich, die neu erweckte (Wahl-) Kampflust eines Bill Clinton und die Gary-Cooper- Phantasien so mancher Abgeordneter – daß die Streitparteien in der grundlegenden Frage gar keine Zugeständnisse machen mußten: Bill Clinton vertritt mittlerweile wie Newt Gingrich die Meinung, daß ein ausgeglichener Haushalt bis zum Jahre 2002 eine kluge Idee ist. Und sei es nur, um wiedergewählt zu werden.
Das Defizit auf ein wirtschaftlich vertretbares Ausmaß zu reduzieren ist zweifellos notwendig. Doch der „Kampf gegen die Staatsverschuldung“ ist in den USA zu einem Codewort für Deregulierung und Staatsabbau und damit Teil eines viel grundlegenderen Streits geworden: des Konflikts um die Zukunft des föderativen Systems und der Rolle der zentralen Bundesinstanz als Garant grundlegender Rechte und Leistungen für alle Bürger.
Bill Clinton, der einst mit der Vision eines „New New Deal“ für den Übergang der US-Gesellschaft in die globale High-Tech-Ökonomie des 21. Jahrhunderts angetreten war, übt in dieser Auseinandersetzung nur noch mäßigenden, aber keinen gestaltenden Einfluß mehr aus. Der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich, dem stetig sinkenden Reallohneinkommen der amerikanischen Durchschnittsfamilie bei gleichzeitig steigenden Produktivitätsraten und Profiten der Unternehmen hat er derzeit nichts entgegenzusetzen. Im Gegenteil: Er sucht „Kompromisse“ mit einer republikanischen Kongreßmehrheit, die den politischen Rahmen dafür diktiert: Eine Haushalts- und Sozialpolitik, die der US-Ökonom Lester Thurow unlängst als „survival-of-the-fittest-capitalism“ bezeichnet hat, in dem die Eliminierung der sozial und ökonomisch Schwachen durch die Starken als Zeichen eines funktionstüchtigen Wirtschaftssystems gilt. Thurow und andere warnen inzwischen immer lauter vor den Konsequenzen einer solchen Polarisierung für eine Demokratie. Noch gilt es allerdings nicht als politisch opportun, auf sie zu hören. Andrea Böhm
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