Unveränderte Haltung bei den Kirchenoberen

■ Trotz eineinhalb Millionen Gläubigen, die sich am Kirchenvolksbegehren beteiligten, bleibt Bischof Lehmann hart und verweigert den Dialog mit der Basis

Hannover (taz) – Sehr zufrieden ist die Initiative „Wir sind Kirche“ mit dem Ergebnis des Kirchenvolksbegehrens. Gut 1,5 Millionen bundesdeutsche Katholiken haben in der achtwöchigen Unterschriftenaktion für eine Kirchenreform votiert; für die Abschaffung des Zwangszölibats und die Gleichberechtigung von Frauen in allen kirchlichen Ämtern.

Das vorläufige Endergebnis vom späten Sonntagabend übertrifft damit die ersten Prognosen von „Wir sind Kirche“ noch um etwa 400.000 Unterschriften. Der Organisator Christian Weisner sprach denn auch von einem „großen Erfolg“ des Kirchenvolksbegehrens. Insgesamt haben 1,841 Millionen Bundesbürger das Kirchenvolksbegehren unterschrieben. Genau 1,483 Millionen Unterzeichner bezeichneten sich auf den Unterschriftenlisten ausdrücklich als Katholiken. Damit haben etwa 5,3 Prozent aller 28 Millionen katholischen Bundesbürger sich die Forderungen von „Wir sind Kirche“ zu eigen gemacht, sich für eine „geschwisterliche Kirche“ ausgesprochen, die die „Sexualität positiv bewertet“. Die Zahl von rund 1,5 Millionen katholischen Unterzeichnern entspricht einem Viertel der Gottesdienstbesucher, die im Schnitt jede Woche der Predigt ihres Pfarres lauschen.

Dennoch reicht das Ergebnis nicht an das österreichische Kirchenvolksbegehren heran. Dort hatten im Juni rund 500.000 von 9 Millionen Katholiken für eine Reform votiert.

Christian Weisner wies gestern erneut auf die andere Ausgangssituation in Österreich hin. Dort war Kardinal Grohr in die Schlagzeilen geraten, weil er Meßdiener sexuell belästigt haben soll. Dieser Skandal hatte das Kirchenvolksbegehren ausgelöst.

„Wir hatten in Deutschland zum Glück keinen solchen Skandal, sondern konnten aus dem Nichts heraus einen intensiven Diskussionsprozeß in der Kirche in Gang setzen“, sagte Weisner. Außerdem habe in der Bundesrepublik die Amtskirche zunächst keinerlei Verständnis für das Volksbegehren gezeigt, sondern gesagt, es sei „überflüssig“.

Weisner forderte den Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, auf, jetzt den Dialog nicht auszuschlagen, sondern die Chance für eine lebhafte Diskussion zu nutzen. Lehmanns erste Stellungnahme zum Ergebnis des Kirchenvolksbegehrens falle hinter die Äußerungen anderer Bischöfe zurück, kritisierte der Initiator von „Wir sind Kirche“.

Bischof Lehmann hatte am Sonntag zwar von einem „vielerorts gutgemeinten Einsatz“ für die Unterschriftenaktion gesprochen, sich in der Sache aber unnachgiebig gezeigt. Er sieht in dem Kirchenvolksbegehren „keinen geeigneten Beitrag zum Dialog“.

Es habe keine neuen Gesichtspunkte an den Tag gebracht, vorhandene Polarisierungen in der Kirche verstärkt und Unsicherheit und Verwirrung provoziert. Verärgert hat ihn vor allem die Forderung des Volksbegehrens, die kirchliche „Drohbotschaft“ endlich durch die christliche „Frohbotschaft“ zu ersetzen. Solche plakativen Reizbegriffe würden ein schiefes oder falsches Bild von der Kirche vermitteln, meinte Lehmann und bedauerte, daß „durch die Aktion überzogene Erwartungen geweckt werden“. Jürgen Voges