Kaum eröffnet, schon am Ende

Im Politbüro-Prozeß beantragt der Staatsanwalt eine Auszeit. Erst mangelte es an der Unbefangenheit, jetzt an „Ergänzungsrichtern“  ■ Aus Berlin Wolfgang Gast

Rechtsanwalt Hanns Ekkehard Plöger hat sich einen Namen gemacht als Nebenklagevertreter in Mauerschützenprozessen. Seit er dem greisen Staatslenker Honecker vor Gericht unterstellte, einen Fuchsbandwurm als Krebsleiden auszugeben, hat er es zu so etwas wie Renommee gebracht. Dies gilt es zu verteidigen, wie sich am zweiten Verhandlungstag im Prozeß gegen Honeckers Nachfolger Egon Krenz und andere ehemalige Politbüromitglieder zeigt.

Von „überfallartigen Prozeßbeginnen“ schwadroniert der Mann, zum laufenden Prozeß fällt ihm ein, „daß es krank ist, dieses Verfahren“. „Die Nebenklage“, hebt er schließlich an, „denkt sehr laut über eine Besetzungsrüge nach.“ Rügen will der Kauz mit Anwaltszulassung, daß der Vorsitzende der 27. Strafkammer, Hansgeorg Bräutigam, seine Koffer zu Unrecht packen mußte.

Bräutigam stolperte über einen Aufsatz, in dem er die Zustände in der DDR mit denen im Dritten Reich verglich. „Befangen“, hatten daraufhin Richterkollegen geurteilt. Seit gestern hat der bisherige Beisitzer Josef Hoch den Vorsitz. Für den 35jährigen bringt der neue Job keine Mehrarbeit. Im Gegenteil, das Verfahren wegen der Schüsse an der innerdeutschen Grenze wird voraussichtlich für längere Zeit ausgesetzt. Aus einfachem Grund: Mit dem Abgang Bräutigams rückt Josef Hoch in das Amt des Vorsitzenden. Sein Amt als Beisitzer übernimmt ein sogenannter Ergänzungsrichter, der bereits zu Prozeßbeginn bestimmt wurde. Dieser Posten ist nun frei geworden. Sollte nun in dem Verfahren mit einer erwarteten Verhandlungsdauer von über einem Jahr einer der drei Berufsrichter ausscheiden, könnte er nicht ersetzt werden. Der Prozeß würde platzen.

Ohne einen neuen „Ergänzungsrichter“ fortzufahren findet Oberstaatsanwalt Bernhard Jahntz „unverantwortlich“. Für ihn ist das ein „Harakiri“. Da will er „lieber jetzt in den sauren Apfel beißen“. Er beantragt, das Verfahren „bis zur Bereitstellung neuer Ergänzungsrichter“ auszusetzen. Das kann Wochen dauern.

Jahntz' Antrag überrascht die Verteidiger der sechs Angeklagten. Sie hatten sich auf das Procedere bei der Schöffenauswahl gestürzt und eine „fehlerhaft zustandegekommene Vorschlagsliste“ gerügt. Einige Verteidiger schließen sich dem Staatsanwalt an. Selbst Anwalt Plöger dürfte auf seine Kosten kommen. Zwar hatte er „ein paar lustige Stunden bei Gericht“ in Aussicht gestellt, dann aber im gleichen Atemzug verkündet: „Lieber mit Groll im Magen einstellen und neu beginnen.“

Das Gericht entscheidet am Donnerstag über die Aussetzung.