HEW mästen und verhökern

■ Die Hamburger Electricitätswerke sollen durch Unternehmenszukäufe die Stadtkasse kurzfristig retten / Krisengipfel bei Voscherau Von Florian Marten

Aktienspekulanten aufgepaßt: Die taz empfiehlt heute exklusiv den Einstieg in die Aktie des Atomstromriesen Hamburgische Electricitätswerke (HEW). Der Anlaß: Nach taz-Informationen sollen die HEW durch Zukäufe aus dem Hamburger Staatsbesitz in den Bereichen Telekommunikation, Wasser und Gas erheblich an Wert gewinnen. Da die Stadt kurz darauf einen Teil ihrer eigenen HEW-Aktien abstoßen wird, dürften Übernahmeinteressenten schon bald mit Aktienkäufen beginnen.

Tieferer Grund der HEW-Spekulation ist die immer dramatischere Situation der Hamburger Stadtstaatsfinanzen. Bürgermeister Henning Voscherau schätzte gestern in kleinem Kreise das voraussichtliche Finanzloch für die nächsten vier Jahre auf bis über fünf Milliarden Mark. Noch im Juni 1995 hatte die Finanzbehörde mit „nur“ zwei Milliarden gerechnet. 1996 droht eine Lücke von bis zu zwei Milliarden Mark im Betriebshaushalt, den laufenden Ausgaben. Die Stadt wäre zahlungsunfähig, da sie Kredite nur in Höhe der Investitionen aufnehmen darf.

Mit Hochdruck arbeiten deshalb die Spitzen des Senats an verschiedenen Modellen zu Notverkäufen aus dem Stadteigentum. Umweltsenator Fritz Vahrenholt, fest entschlossen, zumindest eine 50,1-Prozent-Mehrheit an den HEW zu behalten (heutiger Stadtanteil: über 75 Prozent), hat dafür ein Konzept entwickelt, welches sich an den Tricks von Ortwin Runde in Sachen Stadtreinigung und Stadtentwässerung orientiert (siehe Bericht Seite 22): Die HEW sollen andere städtische Unternehmen kaufen. Geld ist reichlich vorhanden. Auf vier bis fünf Milliarden Mark schätzt der Senat die Rücklagen der HEW, die sie für ihre AKWs gebildet hat.

Auf der HEW-Shoppingliste ganz oben stehen die Hamburger Wasserwerke. Das grundsolide Unternehmen mit einem Jahresgewinn von derzeit knapp 30 Millionen Mark ist lediglich durch die Verluste im Bäderbereich von 43 Millionen Mark pro Jahr gehandicapt. Der Senat rechnet dennoch mit einem Verkaufserlös von bis zu 500 Millionen Mark, weil den HEW mit den Wasserwerken der Einstieg in ein neues Marktsegment glücken könnte.

Auf Dauer von mindestens ebenso großer Brisanz dürfte der geplante Verkauf des Landesamtes für Informationstechnik (LIT) an die HEW sein. Das derzeit noch bei der Finanzbehörde angesiedelte 360-Mensch-Unternehmen kontrolliert die hansestädtischen EDV- und Telekommunikationsnetze. Durch den Kauf, im Gespräch sind 500 Millionen Mark, gelänge den HEW der Einstieg in einen weiteren Zukunftsmarkt. Vorsorglich haben die HEW auf der letzten Hauptversammlung die Satzung entsprechend geändert.

Ziel dieser von Voscherau und Vahrenholt befürworteten Strategie ist es, die kapitalkräftigen HEW zum mächtigsten Konzern in Hamburg auszubauen. Die unternehmenspolitische Kontrolle, schon heute bei den HEW schwächer als bei anderen öffentlichen Unternehmen, würde nochmals reduziert, wenn die Stadt ihre Dreiviertelmehrheit an den HEW aufgäbe.

Finanzsenator Ortwin Runde will sogar lediglich 25 Prozent der HEW behalten. Auf seiner Verkaufsliste steht der Energiekonzern derzeit an allererster Stelle – die Landesbank, ein mehrere Milliarden Mark schwerer Brocken, soll zumindest 1996 noch gehalten werden.