Nachgefragt
: „Die SPD tut es nicht“

■ ÖTV-Hamburg kämpft für Solidarpakt

taz: Sie haben dem Hamburger Senat eine Art Solidarpakt vorgeschlagen: 1.500 neue Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig Personalkosten von 100 Millionen Mark im Jahr einsparen. Wie soll das gehen?

Rolf Fritsch (Bezirksvorsitzender der ÖTV in Hamburg): Wir haben dem Senat eine Arbeitszeitverkürzung ohne Einkommensausgleich auf freiwilliger Basis vorgeschlagen. Die dann frei werdende Arbeitszeit sollte zur Hälfte als Rationalisierungsgewinn verbucht werden, die andere Hälfte soll zu Neueinstellungen führen. Uns ist klar, daß an diesem Programm zunächst die höheren Einkommensgruppen teilnehmen würden, das wären von den 100.000 Beschäftigten im Hamburger Öffentlichen Dienst ungefähr 25.000.

Woher wissen Sie, daß das Interesse an einer freiwilligen Arbeitszeitreduzierung ohne Lohnausgleich so groß ist?

Der Vorschlag kommt nicht von Funktionären der ÖTV, das ist keine Kopfgeburt. Er kommt aus der Verwaltung selbst. Wir haben einen Arbeitskreis, in dem die Beschäftigten des höheren Dienstes organisiert sind. Und die haben von sich aus diesen Vorschlag gemacht.

Gleichzeitig fordert die ÖTV eine Verwaltungsreform mit längeren Öffnungszeiten der Behörden, der Einrichtung von Bürgerbüros und die Verbesserung des ÖPNV. Die Vorschläge sind nicht neu, warum sind sie nicht längst umgesetzt?

Die Diskussion haben wir seit 20 Jahren. Sie kommt aber nicht vorwärts, weil wir eine Lehmschicht von Politikern und Verwaltungsfachleuten haben, die jede Neuerung verhindern. Wir haben versucht, das Bürgerinteresse mit dem Interesse der Beschäftigten an zusätzlicher Zeitsouveränität zusammenzubringen. Dafür ist ein Bürgerbüro gut geeignet. Daß selbst das nicht angegangen wird, zeigt, daß die Verwaltung aus sich heraus kaum reformfähig ist. Die Reformen müßten politisch durchgesetzt und der Verwaltung aufgezwungen werden.

Und die SPD tut das nicht?

Ja, die SPD ist hier nur die lautstarke Begleitung dessen, was ohnehin stattfindet. Die guten Ideen, die ja überall vorhanden sind, setzt sie nicht in praktische Politik um. Die versickern in der Umlaufbahn der Verwaltung, die ein ungeheures Beharrungsvermögen entwickelt hat. Das wächst sich langsam zu einem Demokratieproblem aus.

Die Verwaltung kriegt es nicht hin, die SPD auch nicht. Also muß jetzt die Gewerkschaft ran?

Die SPD hat offensichtlich sinnvolle Reformen in die Verwaltung nicht so nachdrücklich eingebracht, daß sie dort auch umgesetzt werden. Die Verwaltung lebt inzwischen aus sich heraus. An den Gewerkschaften scheitert die Reform jedenfalls nicht.

In Bremen haben die Gewerkschaften die Verhandlungen über eine Arbeitszeitreduzierung ohne Lohnausgleich abgebrochen.

Da war es ja auch ein Zwangsmodell. Wir haben das Prinzip der Freiwilligkeit eingebaut.

Darüber hätte man ja verhandeln können...

Ich will mich nicht in Bremer Verhältnisse einmischen. Wir haben hier in Hamburg versucht, die Interessen zusammenzubringen, und sind überzeugt, daß das funktionieren würde. Jedenfalls dann, wenn der Verzicht auf Arbeitszeit nicht dazu führt, daß dann die gleiche Arbeit in kürzer Zeit erledigt werden muß.

Fragen: Dirk Asendorpf