■ Pleite bei CDU und SPD: Nein zum Schuldenland
Es gibt zwei Arten von Offenbarungseiden – einen finanziellen und einen ideellen. Die Große Koalition ist dabei, beide zu leisten. Weder die CDU noch die SPD hat nach dem Sondierungsgespräch am Montag abend den Mut aufgebracht, den Wählern die Wahrheit zu sagen: Angesichts eines Ende kommenden Jahres sieben Milliarden Mark großen Haushaltslochs wird so ziemlich an jeder Ausgabe gespart werden müssen. Bei der Polizei wird es genausowenig ein Tabu geben wie bei einem sozialen Projekt. Vermutlich können die Sozialdemokraten nicht einmal den Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften verhindern, um kurzfristig Defizite zu mildern. Bei der Bewag sind sie längst eingeknickt. Doch CDU und SPD sind nicht nur zu feige, Tacheles zu reden, sie scheinen geradezu Angst davor zu haben, auch unangenehme Entscheidungen zu treffen.
Anders können die Überlegungen von CDU-Fraktionschef Landowsky nicht verstanden werden, der schon wieder höhere Kredite aufnehmen will. Der Schuldenberg wächst 1997 auf über 50 Milliarden Mark an, die Zinsen dafür zahlen morgen die Kinder von heute, und Landowskys Kollegen in der Bankenholding reiben sich die Hände. Doch auch Teile der SPD schließen den Weg in die Neuverschuldung nicht mehr aus. Dabei schienen sich alle Sozialdemokraten gerade nach der schlimmen Wahlniederlage zumindest in diesem Punkt einig zu sein: bloß nicht weiter so. Aber selbst die SPD will riskieren, daß einer ihrer wenigen Erfolge der letzten Legislaturperiode am Ende scheitert. Die Fusion mit Brandenburg droht nämlich zu platzen, wenn der Kreditgier ängstlicher Politiker kein Ende gemacht wird. Mit Brandenburg ist vereinbart, die Aufnahme neuer Kredite Jahr für Jahr um 650 Millionen zu mindern, statt zu steigern. Eine Änderungen des Staatsvertrags ist theoretisch zwar möglich. Aber wollen SPD-Fraktionschef Böger und der Regierende Bürgermeister Diepgen vor der Volksabstimmung im Mai mit Brandenburgs Ministerpräsident Stolpe über mehr Schulden verhandeln? Das Brandenburger Volk wüßte sich zu bedanken. Mit einem Nein. Gegen ein gemeinsames Schuldenland. Dirk Wildt
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