Große Koalition der Schuldenmacher

■ CDU und SPD wollen das Haushaltsloch mit Krediten füllen. Rechnungshofpräsident „fassungslos“

Einen Tag nach ihrem „Sondierungsgespräch“ haben am Montag abend CDU und SPD angedeutet, wie sie Berlins neueste Haushaltslöcher stopfen wollen: CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky sprach sich „im Interesse der Einheit der Stadt“ für eine höhere Verschuldung aus.

Zwar stieß der Vorschlag bei Finanzsenator Elmar Pieroth, dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (beide CDU) und SPD-Spitzenpolitikern vorerst auf Ablehnung. Andererseits will wiederum Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) eine höhere Nettoneuverschuldung „nicht ausschließen“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Volker Liepelt, wählte dieselben Worte. Auch wenn eine höhere Verschuldung „das allerletzte Mittel“ sei, könne er diesen Schritt „nicht ausschließen“.

Der Präsident des Landesrechnungshofs, Horst Grysczyk, reagierte ungewohnt verstimmt auf die Überlegungen in der Großen Koalition. „Ich bin fassungslos, daß bereits am Anfang der Haushaltsdebatte an eine neue Verschuldung gedacht wird“, sagte er. Mit Krediten dürften einmalig anfallende Defizite bezahlt werden, doch die Berliner Defizite seien struktureller Natur: Das Land gebe grundsätzlich mehr Geld aus, als es einnehme. Die Politiker offenbarten mit diesen Überlegungen ihre „Hilflosigkeit“ gegenüber den Haushaltsproblemen.

Grysczyk warnte davor, daß eine höhere Neuverschuldung die Fusion mit Brandenburg erschwere. Der Nachbar gebe sich bei seinen Finanzproblemen „außerordentlich große Mühe“, einen anderen Weg als Berlin zu gehen – nämlich Ausgaben dauerhaft einzusparen. Das Brandenburger Kabinett will am kommenden Sonntag Einsparungen von 830 Millionen Mark für das Jahr 1996 beschließen. Auch drohe nach der Fusion Berlin-Brandenburg der Stadt Berlin mit dem Ende einer Übergangszeit im Jahr 2002 die Einsetzung eines Staatskommissars, der das Sparen diktiert. Dann hätte der ab 1999 in der Stadt regierende Magistrat kaum noch etwas zu sagen, die politischen Spielräume von heute verringerten sich „allmählich gegen Null“. Geld für Investitionen gebe es nicht mehr.

Pieroth hatte am Montag abend CDU und SPD mitgeteilt, daß das bisher geplante Defizit von 6,75 Milliarden „im schlechtesten Fall“ in diesem Jahr um 2,9 Milliarden Mark und 1996 um 4,3 Milliarden überschritten wird. Um das Defizit zu minimieren, will das Finanzkabinett am kommenden Montag über einen weiteren Verkauf von Bewag-Anteilen beraten. Das Land will eine Sperrminorität von 25 Prozent plus eine Aktie behalten. Pieroth erwartet Einnahmen von über einer Milliarde Mark. Auf den Strompreis habe der Verkauf keinen Einfluß, da dieser vom Wirtschaftssenator bestimmt werde. Vom Parlament, das den Verkauf genehmigen muß, forderte Pieroth, „rasch handlungsfähige Gremien“ zu bilden. Nach dem Sondierungsgespräch gaben sich CDU und SPD gegenseitig die Schuld daran, daß keiner von ihnen konkrete Sparvorschläge gemacht hatte.

SPD-Fraktionschef Klaus Böger sah seine Partei „mehr denn je“ gefordert, die Stadt vor dem finanziellen Ruin zu retten. Liepelt konterte, die CDU habe Vorschläge gehabt, diese aber nicht vorgelegt, weil sich die SPD geweigert habe, ebenfalls Einsparungen vorzuschlagen. Dirk Wildt