■ Neues von der königlich-britischen „Lindenstraße“
: „Dianarama“ gegen das „feindliche Lager“

Dublin (taz) – Nein, Camillas Schlüpfer hat sie nicht in der Jackentasche von Prinz Charles gefunden, aber die „Instinkte einer Frau“ verrieten ihr, daß ihr Ehemann eine andere liebte. „Und zu dritt war die Ehe etwas überfüllt“, sagte Diana am Montag abend in dem BBC-Interview, auf das (nicht nur) die britische Nation gewartet hatte – zumindest jedoch ein Drittel davon: Mit der Einschaltquote von 21 Millionen ZuschauerInnen konnte das 50minütige Gespräch im Rahmen der „Panorama“-Sendung, die längst „Dianarama“ getauft wurde, sogar locker mit „Coronation Street“, der britischen „Lindenstraße“, mithalten. Die Nachrichtenagenturen brachten das Interview gedruckt live: Satz für Satz, Absatz für Absatz im Fünf-Minuten-Takt, mit der hohen „Priorität 2“.

Die ZuschauerInnen wurden nicht enttäuscht. Wer geglaubt hatte, Diana werde lediglich ein paar Belanglosigkeiten von sich geben, wurde eines Besseren belehrt. Mit ausgefeilter Choreographie und geübtem Augenaufschlag trat sie der königlichen Familie – vor allem aber ihrem Gatten Prinz Charles – ein ums andere Mal vors Schienbein. Es war wie im 18. Jahrhundert, als es zwei rivalisierende Höfe in Großbritannien gab.

Die Prinzessin gestand ein, daß sie an postnataler Depression und Bulimie litt und sich an Armen und Beinen selbst verletzte, um auf sich aufmerksam zu machen. Diese Phase sei aber heute überwunden, sie sei nicht mehr labil, sondern eine starke Frau geworden – inzwischen Grund für ängstliche Neidgefühle am Königshof. Das „Lager des Feindes“, wie Diana Charles und seinen Troß nannte, habe deshalb eine Diffamierungskampagne begonnen, mit der ihr Liebesbeziehungen angedichtet würden. Auch werde ihre Post zurückgehalten, Auslandsreisen würden sabotiert.

Am meisten bereut Diana, einmal zu einem Kind gesagt zu haben, sie sei „so dumm wie ein Stück Holz“, weil das an ihr hängengeblieben sei. Sie bestätigte, daß das heimlich mitgeschnittene Telefongespräch mit ihrem Freund, dem Geschäftsmann James Gilbey, der sie „Squidgy“ (Tintenfischchen) nannte, echt gewesen sei. Auch eine Liebesaffäre mit ihrem Reitlehrer James Hewitt räumte sie ein. Hewitt hatte die Angelegenheit gemeinerweise sofort in ein Buch umgesetzt („Er hat mich furchtbar enttäuscht“).

Diana will zwar keine Scheidung („wegen der Kinder“), aber ihre Ehe ist vorbei. Sie glaubt auch nicht, daß sie jemals Königin wird, aber sie möchte gerne die „Herzkönigin des Volkes“ und Botschafterin Großbritanniens im Ausland sein. Die Trennung von Charles sei „nicht meine Idee“ gewesen. Ihren Noch-Gatten Charles hält sie nicht unbedingt geeignet dafür, König zu werden – sie deutete an, daß er vielleicht übersprungen werden könnte zugunsten ihres Sohnes William.

Charles spricht nicht mehr mit ihr, seit die Sache mit dem Interview ausgerechnet an seinem Geburtstag bekannt geworden ist. Am Montag zog er sich auf seinen Landsitz Highgrove in Gloucestershire zurück, und am Vormittag schlich sich auch seine Geliebte Camilla Parker-Bowles durch einen Seiteneingang ins Schloß. Seine Eltern, die Queen und Prinz Philip, sahen sich lieber Cliff Richard im Londoner Dominion- Theater an. Die Oma, die gerade eine Hüftoperation hinter sich hat, sah überhaupt nicht fern. Und Prinz William mußte um neun ins Bett, das ist im Eton College so vorgeschrieben. Er und sein Bruder Harry waren am Wochenende von Diana aufgeklärt worden.

Was hielten andere davon? Charles' Freund Nicholas Soames, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, hielt das Interview für „haarsträubend und furchtbar“. Charles will nicht König werden? „Bei allem Respekt“, meinte Soames, „aber das ist kompletter Blödsinn.“ Ein königliches Komplott gegen Diana gebe es nicht. Ihre Unzufriedenheit habe bei ihr zu „Instabilität und Geisteskrankheit“ geführt: „fortgeschrittenes Stadium der Paranoia“.

In Pressekommentaren wurde am Dienstag Kritik an der „Opferrolle“ geübt, in der sich Diana dargestellt habe. „Die königliche Seifenoper verwandelte sich in eine griechische Tragödie“, so der konservative Daily Telegraph. Beobachter des Königshauses vertraten die Ansicht, daß nach dieser Preisgabe von Informationen eine Scheidung von Prinz Charles nur „noch eine Frage der Zeit“ sein könne. Die Londoner Times schrieb, die Prinzessin habe mit der „politischen Klugheit“ eines Francois Mitterrand agiert. Zugleich habe sie aber die schlimmsten Befürchtungen des Palastes bestätigt, daß sie zu einer „Gefahr“ für das Königshaus geworden sei. Der Independent zitierte einen Diana- Gegner aus den Reihen der Tories mit den Worten: „Macht sie zur Herzogin, und laßt sie nach Kalifornien gehen.“

Anthony Holden, der Biograph des Thronfolgers, gestand Diana dagegen zu, den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben. Allerdings glaubt er nicht, daß die Queen sie nach dieser „Auge-um- Auge-Taktik“ so weitermachen läßt wie bisher.

Der Rechtsanwalt Anthony Scrivener freute sich über „das lohnende Beispiel für Vergeltung“. Er wünschte sich aber, daß die ganze königliche Bagage so schnell wie möglich aus den Schlagzeilen verschwinden möge, damit man sich endlich der Kernfrage zuwenden könne: „Sind wir als Nation erwachsen genug, daß wir ohne Monarchie auskommen?“ Ralf Sotscheck