The catcher and the fly

Grauenhafte Sportarten, mit denen uns das Fernsehen quält (X): Das fade und undurchsichtige Baseballspiel  ■ Von Albert Hefele

Es gibt Untersuchungen, die einwandfrei belegen, daß der Mitteleuropäer in der Regel nicht dümmer ist als ein Amerikaner. Trotzdem haben die Yankees ein Spiel erfunden, das nicht mal Einstein verstanden hätte, wäre er jemals ins Stadion gegangen, um sich Baseball anzusehen. Ein durchschnittlich intelligenter Mensch kann jedenfalls stundenlang vor dem Kasten kleben und hat keinen Schimmer, was da vor sich geht. Auch angestrengtes Forschen und Horchen fördert nur wenige sinnvolle Verrichtungen zutage. Es wird viel herumgestanden, dann fliegt ein Ball und einige rennen. Warum jene laufen und die anderen stehen, weiß man nicht. Sicher ist, daß alle Mützen mit Schild tragen und unablässig kauen.

Es, das Kauen, kann aber beim besten Willen nicht der eigentliche Zweck des Spiels sein. Der hartnäckige Betrachter findet auch bald heraus, daß es um was anderes geht; einen kleinen Ball werfen, einen kleinen Ball schlagen, einen kleinen Ball fangen.

Kapitel 1: Den kleinen Ball werfen

Eine einfache, eine kindische Übung, sollte man meinen, und doch versteht sie der Amerikaner mit großer Geste zu zelebrieren. Eben noch ausgiebig, mit leerem Blick, kauend, verrenkt er sich plötzlich vehement und für normale Begriffe völlig unnötig. Spreizt ein Bein, als wolle er über einen großen Graben steigen, windet den Wurfarm perfide am Rumpf entlang, um letztendlich den kleinen Ball mit Nachdruck von sich zu schleudern. Heim zu Muttern? Zum Mond? Weit gefehlt. Er zielt auf zwei Menschen, die sich in einiger Entfernung von ihm die Füße in den Bauch stehen.

Einer der Herren führt einen Prügel mit sich, den wir von unseren einheimischen Randalierern kennen. Es ist – jawohl – der Baseballschläger. Mit ihm möchte er den kleinen Ball treffen. Doch Vorsicht! Hinter ihm kauert eine Art gepanzerter Gnom mit riesigem Handschuh. Er lauert ebenfalls auf den Ball, wie eine fette, heimtückische Kröte, die auf eine Fliege wartet. The catcher. And the fly. Keiner weiß, wie er eigentlich aussieht, denn er ist rundum gepolstert und hat ein Gitter vor dem Gesicht. Wahrscheinlich ist er fürchterlich entstellt und verschwindet nach dem Spiel in einer von Spinnweben strotzenden Höhle. Solche Phantasien gibt einem die Langeweile ein. Denn eigentlich erinnert der Catcher eher an einen verirrten Imker. Hockend, und so eben mal seine Notdurft verrichtend. Es ist aber weit und breit keine Biene in Sicht, und so wird rasch klar, daß es sich nie und nimmer um einen Imker handeln kann.

Kapitel 2: Den kleinen Ball schlagen

Jeder ahnt, daß es zum Schlagen des bereits in Kapitel 1 erwähnten Prügels bedarf. Bei allen Rechtsradikalen ist der gerne gesehen, weil sie mit seiner Hilfe ihrer politischen Botschaft Nachdruck verleihen können. Dazu müssen sie allerdings keinen Ball treffen, sondern Rippen und Schädelbasen. Womit wir wieder beim Baseball wären und bei dem Problem, einen kleinen Ball zu schlagen.

Nicht ganz einfach, ein Ziel, das man verfehlen kann. Und das ist peinlich. Eigentlich gibt es nichts Peinlicheres, als mit Elan vorbeizuhauen. Ein großer, kräftiger Mensch, der imponierend mit seinem riesigen Ding wedelt: „Komm und wirf endlich deinen kleinen, albernen Ball!“ Und dann – das auf keinerlei Widerstand treffende „Wusch!“ des dicken, sinnlosen Schlägers. Eine verpuffte Erektion im Grunde. Ejaculatio praecox. Ab! Mit hängendem Prügel, und darf nicht mehr mittun. So ähnlich jedenfalls, Genaues weiß man nicht. Gut und saftig treffen ist auf jeden Fall besser. Weg mit dem Ball, so weit wie möglich.

Gelingt das, freut sich der Schlagdrauf, wirft die Keule von sich, als wäre sie aus glühendem Guß und rennt, was das Zeug hält. Den Oberkörper wie von starkem Gegenwind zurückgeblasen und mit hohen Knien. Seltsam. „Wohin des Weges, guter Mann?“ möchte der unbedarfte Beobachter ihm zurufen. Er aber schweigt, muß rennen und kauen. Hat keine Zeit, denn draußen im Feld lungern weitere Kau- und Kappenmänner, die nur eines wollen.

Kapitel 3: Den kleinen Ball fangen

Die Armen. Sie gehen (Ausnahme: Rhönradfahren) dem wohl trübsinnigsten Gewerbe in der Welt des Sports nach. Warten, bis sie Moos ansetzen. Beten, daß der sinnlos geprügelte, winzige Ball einmal in ihre Richtung fliegt. Wenn sie in der Zwischenzeit nicht längst eingenickt oder an gähnender Langeweile elendig zugrunde gegangen sind, dürfen sie ihn fangen. Hosianna! Aber nicht behalten. Der Ball muß nämlich wandern, und zwar schnell... Weshalb? Und wohin? Wer ist dran, und wer gewinnt? Warum rennen einige und gleiten dann und wann auf herumliegenden Sofakissen aus? Was hat dies alles zu bedeuten? Das Mysterium des Kaugummis? Fragen über Fragen. Wer hilft weiter? Einstein? Der Imker?