■ Exportiert Kanzler Kohl Arbeitsplätze nach Südostasien?
: Standortrhetorik entlarvt

Eine Woche hat sich Helmut Kohl bemüht, deutsche Auslandsinvestitionen in Südostasien anzukurbeln. Zum dritten Mal seit 1990 ist der Kanzler als Botschafter der Exportnation Deutschland in einer Region unterwegs, die als Wachstumsmarkt der Zukunft gilt. Im Schlepptau dabei stets prominente Industrievertreter, die vor Ort das eine oder andere Investitionsprojekt unterschriftsreif machen. Und das obwohl mit diesen Investitionen nach der konventionellen Rhetorik dieser Bundesregierung Tausende Arbeitsplätze vom Standort Deutschland in die neue Boomregion exportiert werden.

Die Reise und die Investitionsabsichten der Kohlschen Reisebegleiter kontrastieren deutlich mit der politischen Debatte zu Hause. Beinahe täglich versuchen Wirtschaftspolitiker aus Union und FDP der deutschen Öffentlichkeit klarzumachen, daß die steigenden Auslandsinvestitionen der deutschen Industrie das Signal sind, daß es bergab geht mit Deutschland, daß der Wirtschaftsstandort für Investoren unattraktiv geworden ist. Jede Investition eines deutschen Großkonzerns in Shanghai oder Newcastle upon Tyne wird von dem Klagegeheul über zu hohe Arbeitskosten in Deutschland untermalt.

Vor diesem Hintergrund läßt die Mühe, die sich Kohl gemacht hat, der südostasiatischen Nomenklatura ohne Rücksicht auf politische Verluste deutsche Investitionen schmackhaft zu machen, eigentlich nur zwei alternative Schlüsse zu. Entweder der Kanzler betreibt persönlich den Ausverkauf des Standorts Deutschland. Ihm sind die Bilanzen der Konzerne (vulgo: des international gewordenen Kapitals) allemal wichtiger als die Arbeitsplätze in der Heimat. Oder aber Kohl glaubt der Rhetorik seiner politischen Chargen gar nicht, weil er es besser weiß. Deutsche Investitionen auf Zukunftsmärkten würden nach dieser Lesart die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Firmen sogar stärken und möglicherweise Arbeitsplätze in Deutschland erhalten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat dies gerade in einer vielbeachteten Studie zu belegen versucht.

Die politischen Jeremiaden über den Standort Deutschland stünden bei dieser Lesart aber in dem nicht mehr von der Hand zu weisenden Verdacht, nur die staatliche Umverteilung von unten nach oben zu legitimieren. Das sollte der Kanzler bei Gelegenheit mal klarstellen.

Hermann-Josef Tenhagen