■ Mit Sozialklauseln auf du und du
: Welthandelsmoral

Berlin (taz) – Wenn ein indischer Teppichhersteller auf dem Weltmarkt reüssiert, weil er Kinderarbeiter ausbeutet, dann muß man diese Exporte verhindern.

Das verlangen zumindest zahlreiche Regierungen aus den Industrieländern und auch manche Oppositionelle in den Ländern des Südens. Und wenn die mexikanische Thunfischindustrie Gewinne absahnt, weil sie über Delphinleichen geht, dann sollen mexikanische Thunfischdosen entweder mit Strafzöllen oder gar mit einem Importverbot belegt werden. Dafür zum Beispiel haben US-Umweltschützer lange gekämpft.

Solche Sozial- und Umweltklauseln versuchten die USA 1993 vergeblich im Vertragswerk der neu gegründeten Welthandelsorganisation WTO zu verankern. Denn bisher existieren zwar sieben Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, die die Rechte von Arbeitnehmern festschreiben. Dazu gehört das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, ein Diskriminierungsverbot und das Recht auf Vereinigung und kollektive Tarifverhandlungen. Doch die Normen bleiben unverbindlich, denn Mittel zur Durchsetzung hat die ILO nicht. Das wäre bei Sozialklauseln im Rahmen der WTO anders: Zuwiderhandlungen könnten Zölle oder Importverbote zur Folge haben.

Für viele gelten solche Sozial- oder Umweltklauseln im Welthandel daher als der beste Weg, um Arbeitnehmerrechte und die Einhaltung gewisser Umweltstandards in aller Welt durchzusetzen. Für die andere Seite – vorwiegend die Regierungen der Entwicklungsländer – sind diese Klauseln purer Protektionismus, um preisgünstig hergestellte Waren aus dem Süden von ihren Märkten fernzuhalten. Skeptisch stimmt, daß die USA, die die radikalsten Befürworter von Sozial- und Umweltklauseln sind, selbst nur eine der sieben ILO-Konventionen ratifiziert haben.

Der DGB vertritt eine Position, die in Richtung eines Kompromisses zwischen Nord und Süd gehen könnte: Sozialklauseln ja, aber die Industrienationen müßten den Ländern des Südens bei der Umstellung behilflich sein, etwa mit einem internationalen Sozialfonds, in den die reichen Staaten einzahlen.

Einen anderen Weg geht die EU. Sie will Entwicklungsländer nicht mit Sanktionen, sondern mit finanziellen Vorteilen locken. Staaten, die die ILO- Konventionen einhalten, sollen Zollvergünstigungen erhalten.

Bei der Gründung der WTO wurde das Thema Sozial- und Umweltklauseln 1993 verschoben. 1997 soll es wieder auf die Tagesordnung kommen. Nicola Liebert