Der stille Diplomat

■ Nach seiner Niederlage schmeichelt sich Kinkel bei Menschenrechtlern ein

Bonn (taz) – Der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland spendete ungekrönten Häuptern reichlich Lob: „Ich habe Hochachtung vor Ihrem Wissen und Ihrem Engagement“, schmeichelte Klaus Kinkel (FDP) gestern im Gästehaus der Regierung rund 60 Vertreterinnen und Vertretern deutscher Menschenrechtsgruppen. Doch die Angesprochenen zeigten sich nur mäßig beeindruckt. Schließlich hatte Kanzler Kohl gerade erst dem chinesischen Militär seine Reverenz erwiesen. Der gastgebende Minister selbst war zehn Tage zuvor wegen seiner Politik gegenüber einem Unrechtsregime fast gestürzt worden. Die Weigerung, nach dem Rabin- Mord den iranischen Außenminister Welayati von der Islamkonferenz auszuladen, empörte nicht nur die Opposition. Rund 50 Regierungsabgeordnete stimmten im Bundestag gegen Kinkel.

Von Selbstzweifeln des Außenministers war gestern nur noch wenig zu spüren. Die Politik des „kritischen Dialogs“, die er auch mit dem Iran führen will, verteidigte Kinkel in seinem Eröffnungsstatement vor den geladenen Menschenrechtlern offensiv und „alternativlos“. Auf sein Desaster im Bundestag kam er nur einmal zu sprechen: Der Iran müsse die Fatwa gegen Salman Rushdie zurücknehmen, doch sei durch Bonn „in stiller Diplomatie“ einiges erreicht worden: „Hoffentlich ist es durch das, was vergangenen Freitag war, nicht zerschlagen worden.“

Die Arbeit der geladenen Nichtregierungsorganisationen nannte Kinkel unverzichtbar. Denn lauter Protest, „der weltweit aufrüttelt“, sei oft notwendig. In Einzelfällen führe aber eben doch nur „stille Diplomatie“ zum Ziel, wie sich an vielen Beispielen zeigen lasse.

Auch Zumutungen hatte Kinkel für die geladenen Menschenrechtsaktivisten parat. Zwar betreibe er selbst wegen Ken Saro- Wiwas Ermordung ein Ölembargo gegen Nigeria, doch sei die Vorstellung zu einfach, „daß man mit der Verweigerung von Wirtschaftsbeziehungen Menschenrechte durchsetzen könne“. Sie treffe zuerst die Menschen in den betroffenen Ländern. Oft würden sich gerade die Dissidenten gegen ein Embargo wenden. Kinkels Formel: „Handel bringt eben auch Wandel.“ Vielleicht ist aber gar nicht die Konzeption des „kritischen Dialogs“ das Problem, sondern der Politiker, der ihn zu führen versucht. Der für seine Ausbrüche von Brachialrhetorik berüchtigte Minister gab auch gestern Kostproben seines hemdsärmeligen Agierens auf heiklem Terrain. So habe er Shimon Peres, dem Nachfolger des ermordeten israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin, auf dessen Kritik am deutschen Dialog mit dem Iran schlicht gesagt: „Er spricht ja auch mit Syrien...“ Hans Monath