Repression, Haft, Prügel, Folter, Mord und Odyssee

■ Der Leidensweg von vier der fünf beschwerdeführenden, abgelehnten AsylbewerberInnen bis zu ihrer Ankunft in der „sicheren“ Bundesrepublik

Die 38jährige Frau B. war eine der selbstorganisierten Händlerinnen in einer Provinzstadt im westafrikanischen Ghana. Ihre vier Kinder zog sie alleine auf. 1992 ließ die Militärdiktatur des Fliegerhauptmanns Rawlings nach zwölf Jahren wieder Wahlen zu. Frau B. trat in die größte Oppositionspartei „New Patriotic Party“ (NPP) ein und nahm als Leiterin der Marktfrauenvereinigung an zwei Demonstrationen teil; die Frauen protestierten gegen eine Erhöhung der Standgebühren. Es entstand Sachschaden. Frau B. wurde verhaftet, mißhandelt und gegen Kaution freigelassen. Sie floh, ehe es im Sommer 1993 zu einem Prozeß kam, weil sie eine lange Haft oder den Tod im Gefängnis befürchtete.

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Herr A., ebenfalls aus Ghana, ist 23 Jahre alt und machte eine Lehre als Automechaniker. Seine Familie ist arm. Auch er gehört der NPP an und demonstrierte 1993 gegen die Haushaltspolitik der Regierung und Preiserhöhungen. Es kam zu Prügeleien. Die Polizei verhaftete Demonstranten, A. versteckte sich bei einem Schulfreund. Er hatte Angst, Mitdemonstranten könnten ihn bei der Polizei verraten – er wußte, daß Polizei und Sondereinheiten Gefangene brutal mißhandeln. Ghana gilt in Deutschland trotz Verstößen gegen die Menschenrechte als „sicheres Herkunftsland“. Rechtsanwalt Karl H. Bisping, der die beiden vertritt, verweist darauf, daß gerade erst der Fall eines Deutschen bekannt wurde, der vom ghanaischen Geheimdienst BNI monatelang ohne Benachrichtigung der Botschaft oder eines Anwalts festgehalten wurde. Er berichtet außerdem, daß die Polizei bei Demonstrationen Panzer einsetzt und ebenso wie die Anhänger der Regierungspartei NDC immer wieder Menschen zusammenschlägt, mißhandelt und bei Demonstrationen in die Menge schießt. So waren im März 1994 in Tamale zwölf Menschen umgekommen, als Soldaten in die Menge feuerten.

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Frau T. ist Irakerin. Die Ingenieurin ist syrisch-orthodoxe Christin. Ihre Familie wurde seit vielen Jahren verfolgt, der Asylantrag ihrer Schwester deshalb in Deutschland anerkannt. Auch sie ist im Irak immer wieder unter Druck gesetzt und bedroht worden. Sie sollte ihre ArbeitskollegInnen bespitzeln und dem Geheimdienst Berichte über sie schreiben. Frau T. weigerte sich.

Bei einem Autounfall wurde sie verletzt. Als Verursacher erkannte sie einen der Männer wieder, die versucht hatten, sie zu erpressen. Als sie sich immer noch weigerte, schlugen Angehörige der regierenden Baath-Partei vor ihren Augen ihre Eltern zusammen, verprügelten sie und versuchten, sie zu vergewaltigen. Sie verschwanden, als eine Nachbarin zu Hilfe kam.

Die Eltern starben an den Folgen ihrer Verletzungen. Frau T. floh auf einer Fluchthelferroute über die Türkei und Griechenland. Ihr wurde die Einreise verweigert, weil sie aus einem „sicheren Drittstaat“ komme. Frau T. durchquerte Griechenland und die Türkei illegal und ohne Papiere. Die sie begleitenden Fluchthelfer behielten die gefälschten Pässe und hinderten sie während der ganzen Reise daran, sich bemerkbar zu machen. In Athen setzten sie sie in ein Flugzeug nach Frankfurt.

Für sie würde die „Drittstaatenregelung“ mit der Zurückschiebung aus Deutschland nach Griechenland besonders verhängnisvolle Folgen haben, da Griechenland nur die direkte Einreise aus einem „Verfolgerstaat“ anerkennt. Ihr droht, so ihr Rechtsanwalt Marco Bruns, „die Kettenabschiebung in den Irak“.

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Herr C. aus Togo landete im Juli 1993 ohne Paß in Frankfurt. Als Kind zog er mit seinen Eltern vom Stamm der Kabye in das Grenzgebiet zwischen Ghana und Togo. Er arbeitete als Händler und importierte Schuhe von Ghana nach Togo. Auf dem Markt von Lomé, einem Umschlagplatz nicht für Ware, sondern auch für Information und Politik, war er als Anhänger der oppositionellen UTR bekannt. Im März war es zu Unruhen und Menschenaufläufen gekommen, als Gerüchte auftauchten, die Regierung suche UTR-Leute und lasse sie ermorden. In diesen Tagen kam es dann tatsächlich zu Razzien, Schießereien, Verhaftungen und Ermordungen.

C. flüchtete über die Grenze und versteckte sich in einer Kirche in einem Dorf, das vermutlich auf nigerianischem Gebiet liegt. Im Mai kehrte er in der Hoffnung auf Entspannung der Situation zurück, geriet dabei aber wieder in Kämpfe zwischen Rebellen und der Armee. Er entkam noch einmal in sein Versteck, schlug sich nach Lagos durch und flog von dort aus nach Frankfurt. Dort war er ausgerechnet der erste Vorzeigeasylant der Außenstelle des Bundesamtes Zirndorf im Schnellverfahren. Er mußte Kamerateams und ein Blitzlichtgewitter über sich ergehen lassen – was den ohnehin übermüdeten Mann völlig verwirrte. Sein Bild erschien in Zeitungen und im Fernsehen. Herr C.s Antrag wurde abgelehnt, weil seine Fluchthelfer auch ihn ohne Papiere ins Flugzeug gesetzt hatten und die Entscheider bezweifelten, daß er überhaupt Togoer sei, weil er in einer englischsprachigen Region aufwuchs, Französisch nur für den Alltagsgebrauch beherrscht. Außerdem seien die von ihm bei der Anhörung vorgetragenen Asylgründe nicht schlüssig gewesen. Heide Platen