Kein Teppich unterm Baum

■ Bremer Teppichgeschäfte: Nicht ein Laden bietet Orientteppiche ohne Kinderarbeit an

Fast jeder Orientreisende kennt sie: Düstere Häuser an staubigen Landstraßen, drinnen knüpfen oder weben Kinder Teppiche. Kaum älter als fünf Jahre sind die Jüngsten, von Sonnenaufgang bis Untergang hocken sie auf kleinen Bänkchen und pfriemeln die begehrten Orientteppiche. Die erschreckten TouristInnen wiegeln die Manufaktur-Besitzer ab: Die Kinder würden bei ihnen verpflegt, medizinisch versorgt, ja selbst eine Ausbildung würden sie ihnen bezahlen. Kurzum: Sie ermöglichen ihnen erst eine Lebensperspektive, wozu die armen Eltern nicht in der Lage wären.

Längst hat sich in Deutschland herumgesprochen, daß die Realität anders ist. Nach Recherchen von Unicef und kirchlichen Hilfsorganisationen werden vorallem in Indien und Nepal Kinder als Arbeitskräfte mißbraucht. Die Organisationen haben daher im vergangenen Jahr mit der indischen Regierung die „Rugmark Foundation“ gegründet. Mit der „Teppichmarke“ sollen Teppiche ausgezeichnet werden, die nicht von Kindern gefertigt wurden. Die Manufakturen , Webstühle und Teppiche werden von Rugmark registriert und kontrolliert. Ein Prozent des Exportumsatzes geht an Unicef. Die Organisation hilft damit Kindern, die den Manufakturen entkamen.

„Man schätzt, daß in Indien und Nepal zwischen 750.000 und einer Million Kinder Teppiche knüpfen“, sagte gestern Irmgard Czarnecki, Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Bremen. Zusammen mit Herbert Brückner, Umweltbeauftragter der Bremischen Evangelischen Kirche, stellte sie eine Marktuntersuchung vor: Wo können KundInnen in Bremen Rugmark-Teppiche kaufen?

„Nirgends“, ist die ernüchternde Bilanz von Susanne Junchen. Für die Verbraucherzentrale klapperte sie fast alle Teppichgeschäfte und Kaufhäuser ab. Über die Hälfte der VerkäuferInnen kannte zwar das Kinderschutz-Emblem und wußte um die ausbeuterischen Praktiken in Indien und Nepal. Doch einhellig verwiesen sie darauf, daß auch Rugmark die sozialen Probleme dort nicht ändern könne.

Etliche gaben zudem an, daß sie „Care & Fair“ Teppiche verkaufen. Der Verband der Orientteppich-Importeure hat dieses Warenzeichen erfunden. Auch sie investieren ein Prozent in Schulen und Krankenhäuser in Nepal und Indien. Allerdings kontrollieren sie die Händler nicht, können also keine p.c. Garantie für die importierten Teppiche geben. „Das Rugmark-Siegel können sie aber auch kiloweise gefälscht in Indien kaufen“, sagte Klaus Beekmann, Geschäftsführer des Verbandes. Andere Einzelhändler fühlten sich unangreifbar, da sie lediglich persische Teppiche verkaufen. Im Iran sei seit Khomeini die Kinderarebit verboten.

Das ist sie in Indien auch. Dennoch haben bislang nur rund 30 Prozent der indischen Exporteure das Rugmark beantragt. Nach Deutschland – dem größten Abnehmer weltweit – kommen seit Anfang des Jahres die kontrollierten Teppiche. Kauf- und Versandhäuser wie Hertie, Otto oder Karstadt haben sich verpflichtet Rugmark-Teppiche abzunehemen. „Alles Neue aus Indien, nehmen wir grundsätzlich nur noch mit Rugmark“, sagte ein Sprecher von Karstadt gestern zur taz. Doch zunächst müßten die Bestände an indischer Ware verkauft sein. In Bremen wird es daher erst ab Frühjahr 1996 indische Teppiche geben, die nicht von Kindern geknüpft wurden. ufo