Vom Bit zum Beat

■ Bremer HipHop von der Festplatte: F.A.B. stürmen in die Charts

,,Freaks“ heißt das erste Album dreier Bremer im Endschulalter – der Freak Association Bremen, kurz: F.A.B., eine der bundesweit innovativsten HipHop-Formationen. Schon die Aufnahmetechnik zeigt: F.A.B. sind Kinder der Neunziger und nicht auf den Kopf gefallen. Die meiste Zeit hingen Immo und DJ Pee, bürgerlich Pete, vor dem Monitor in Immos Jugendzimmer in Osterholz-Tenever. Mit Hilfe des Programms ,,Soundscape“ entstand ein Großteil des Albums am Computer; statt auf Tonband wurden die Beats auf der Festplatte notiert. Das sparte Studiozeit und somit Bares. Den Rest besorgte Vincente Celi, Bremens umtriebigster HipHop-Produzent (of „Saprize“-Fame) in seinem Studio. Keine Rock'n'Roll-Handarbeit also – ,,ich finde aber, daß wir trotzdem genug Gefühl haben, auch wenn wir nicht proben wie andere Bands das machen,“ verteidigt Rapper und Musik-Konstrukteur Immo das Baukastenprinzip der Band.

Bei FAB wird Musik geplant; das übliche gemeinsame Jammen entfällt bei dieser Technik. Dennoch verstehen es die Freaks, ihre Zusammenarbeit lebendig zu gestalten. Hilfreich und empfohlen: das reichliche Inhalieren berauschender Substanzen. Und siehe: Das beim Kölner MZEE-Label erschienene ,,Freaks“ ist ein durchweg gutes, aber unglaublich vielfältiges Album. Kaputte Gags, swingende Piano-Klänge, geistreiche Samples, rückwärts aufgenommene Schlagzeug-Loops – so viele Ideen reichen bei anderen Bands, um drei Platten zu füllen.

Den Weg der Technik vom Bit zum Beat beherrschen die drei mittlenweile spielend: Kaum ein Sample , daß von den Jungs nicht verändert würde. Mal wird die Abspielgeschwindigkeit des Ursprungmaterials raufgedreht, um mehr Dynamik zu erzeugen, mal verringert, um einen lässigeren Groove zu erhalten. Jede Menge Gäste verleihen einzelnen Songs einen eigenen Charakter. Wenn Bo von „Tobi und Das Bo“ für die Freaks gastreimt, wird es jazzig und beschwingt; wenn „Harmonizer“ Hand anlegen, dröhnt eine knallharte Punkrap-Hymne aus den Boxen. Spax und MC Rene schauen vorbei, und einträchtig rappt man gegen Modekids. Ein wenig erliegt die Freak Association diesem Chamäleon-Verfahren: Ist das Ergebnis nun ein F.A.B.-Album oder ein Szene-Sampler diverser Interpreten?

Doch es gibt genug Tracks, die zeigen, daß F.A.B. es schaffen, einen völlig eigenen Stil zu entwickeln. Scratching, die klassische Methode der Old-Schooler, ist hier kaum mehr zu hören; im Gegensatz zu den drei Jahre zurückliegenden Anfangstagen hält DJ Pee sich da stark zurück. ,,Das Produzieren nimmt so viel Zeit in Anspruch, daß ich nicht dazu komme,“ sagt DJ Pee. Dem F.A.B.- Trio ist diese Abkehr von alten HipHop-Klischees nur recht. ,,Bei uns sprüht ja auch keiner Wände voll oder macht Breakdance,“ grinst Immo. Dazu wird grundsätzlich in Deutsch gerappt. Auf die Spielregeln der Szene lassen sich die Drei ohnedies nicht ein. Auch von den radikalen Parolen früherer Veröffentlichungen (ein paar Samplerbeiträge und eine Maxi) haben sich F.A.B. verabschiedet. „Unsere Zukunft verkauft, gegen ein bißchen Plastikluxus eingetauscht, die Alten werden auf dem Rücken der Jungen reich,“ rappten Immo und Ferris auf ,,Erkenne“. Damals war das ernsthaft als Protest gegen den nach ihrem Empfinden von oben aufgedrückten Generationskonflikt gemeint. Doch Rap, der sich auf solche Themen bezieht, ist nun passe. ,,Bringt eh' nix, gegen Rassismus oder so zu rappen,“ findet Ferris. ,,Wissen doch sowieso alle.“ Auf „Check die Technik'“wird gefragt: ,,Was ist die Aussage ohne die Reimtechnik?“

Also soll es in den Raptexten weiter in Richtung Szenekritik gehen. Die Reim-Dealer wollen noch mehr dazu auffordern, sich frei zu machen, Persönlichkeit zu entfalten. Nur HipHop soll bitte nicht jeder machen.

,,Es geht nunmal um's Können, ,ich bin der Geilste und so.' Und wer nix kann, muß halt gehen“, findet Ferris. Groß genug für den großen Erfolg ist die Klappe der Bremer Freaks allemal. Bestes Beispiel: eine Einladung zu „Viva“. Da kasperlten und quasselten Immo, Femis und Pee derart selbstbewußt, als gehörte ihnen der ganze Sender. Mindestens. Nervosität hat ihnen noch nie die Sprache verschlagen. ,,Ich weiß schließlich, daß ich es von der Technik her viel besser drauf habe als viele, die voll die Kohle damit absahnen,“ meint Ferris mit spöttisch-neidischem Blick auf Acts wie die „Jazzkantine“.

Immo stimmt zu. „Es ist mir lieber, daß wir den Erfolg haben, als irgendwelche Kunstbands. Es gibt sowieso schon so viele, die sich lieber auf dem monopolisierten Kulturmarkt ein Lebensgefühl erkaufen, statt selbst eins zu entwicckeln.“ Lars Reppesgaard

Live am 24.11. beim Zeitreise-Festival im Schlachthof