„Ein ganz mieses Spiel“

■ Während die Ausländerbeauftragte sich für Algerier einsetzt und (deutsche) Verlobte sich um die Formalitäten für die Heirat bemüht, schiebt die Ausländerbehörde ihn heimlich ab

Buchstäblich in allerletzter Minute, fünf Minuten vor seiner Abschiebung, wurde Abdelouahab H. gestern aus dem Flugzeug nach Algerien geholt. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Bremer Abschieber ihn bereits nach Frankfurt geschafft. Um 14 Uhr sollte der Flug abgehen. Da schob das Bremer Verwaltungsgericht per Stop-Verfügung den Notriegel vor. Vorläufig. Bis zum 28. November darf der Algerier nun nicht abgeschoben werden.

Für diesen Abschiebe-Stop erkannte das Gericht medizinische Gründe an: Abdelouahab H. hatte die Nacht noch auf der Krankenstation der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen verbracht. Dorthin war H. erst am letzten Freitag geraten, nachdem er sich bei seiner ersten versuchten Abschiebung mit einer Rasierklinge schwer verletzt hatte (vergl. taz vom 18.11.). Der Linienflug nach Amsterdam war daraufhin umgekehrt. Seitdem bemühten sich die Ausländerbeauftragte, der Anwalt und die deutsche Verlobte des abgelehnten Asylbewerbers um seine Verlegung in ein reguläres Krankenhaus. Von dem neuerlichen Abschiebeversuch wurden sie gestern morgen um acht Uhr kalt erwischt.

„Ich erfuhr davon, als ich bei der Ausländerbehörde anrief“, sagt die Verlobte Martina R. Um acht Uhr am frühen Mittwoch morgen habe sie noch persönlich eine Verabredung mit Uwe Papencord, dem Leiter der Bremer Abschiebegruppe, getroffen. „Zu Erörterungen“, sagt Martina R. Nach islamischem Brauch hat sie bereits geheiratet, nun wollte sie ihre ernsthaften Heiratsabsichten dem Amt persönlich vortragen. „Die eidesstattliche Erklärung, daß ich für den Unterhalt meines Partners sorgen will, haben sie bereits.“

Doch aus der Verabredung wurde nichts – eine viertel Stunde nach dem Telefonat mit Papencord teilte das Ausländeramt ihr mit, daß H. bereits unterwegs Richtung Algerien sei.

„Eine bodenlose Unverschämtheit ist das“, sagt Anwalt Stege. „Die Behörde kannte alle unsere Bemühungen für einen Aufschub.“ Der sollte es ermöglichen, einen Eintrag auf einem Eheunbedenklichkeitsdokument nachzureichen – die Voraussetzung für das Aufgebot. Stege selbst hatte sich wegen der Selbstmordgefährdung seines Mandanten für gestern mit ihm auf der Krankenstation verabredet. Eine Mitarbeiterin der Asylgruppe Ostertor, die Abdelouahab H. noch am Wochenende besucht hatte, bestätigt: „A. war in schrecklicher Verfassung. Er zitterte am ganzen Körper.“

Doch die Behörde schlug zu. „Eine Nacht und Nebelaktion“, sagt der Anwalt. „Das kann nicht angehen, daß man nicht unterrichtet wird.“ Auch die Ausländerbeauftragte wurde überrumpelt. Dort hatte man die Verlegung von H. ins Krankenhaus Ost angestrebt –und zugleich den Mittwochstermin zwischen Ausländerbehörde und der Verlobten arrangiert. Mit einer Abschiebung habe man da nicht rechnen müssen, sagt Anselm Dvorak: „Die Ausländerbehörde hat ein ganz mieses Spiel gespielt.“ Nachfragen beim Bundesgrenzschutz in Hannover belegen das: „Uns lag bereits am Montag den 20.11. eine Transportfähigkeitsbescheinigung für den betreffenden Algerier vor“, heißt es dort.

Stefan Luft, der Sprecher der Innenbehörde, behält darüber einen kühlen Kopf: „Das habe ich doch bereits am Freitag gesagt, der Mann hat sich nur leichte Verletzungen zugefügt.“ Der Arzt der Vollzugsanstalt habe heute morgen H.'s Reisefähigkeit bescheinigt. Das mit dem „Selbstmord“ sei „eine Falschmeldung“ gewesen. Auf der Krankenstation sei Abdelouahab H. nur untergebracht worden, „um eine Wiederholungstat auszuschließen.“

Eva Rhode