Hungerstreik in Abschiebehaft dauert an

■ Nach Polizeiangaben verweigerten noch 13 Insassen in der Kruppstraße die Nahrung. Hungerstreikende wollen unbefristet weitermachen. Selbstmordversuch eines 18jährigen Palästinensers war vorgetäuscht

Die Zahl der hungerstreikenden Abschiebehäftlinge in der Kruppstraße nimmt nach Polizeiangaben ab. Am Mittwoch morgen hätten nur noch 13 Insassen das Anstaltsfrühstück verweigert. Am Montag hatten sich noch 40 Abschiebehäftlinge am Hungerstreik beteiligt.

Die Insassen haben jedoch die Absicht, mit dem Protest „unbefristet“ weiterzumachen. Dies erklärten sie gegenüber dem ausländerpolitischen Sprecher von Bündnis 90, Ismail Kosan, der sie am Dienstag nachmittag vergeblich zur Aufgabe bewegen wollte. Er halte den Hungerstreik nicht für das richtige Mittel, um die Mißstände abzustellen, so Kosan.

Auch über die Motive des Hungerstreiks gehen die Angaben von Polizei und Insassen auseinander. Entgegen Polizeiangaben handle es sich nicht um einen Protest gegen die für Montag geplante Verlegung in den neuen Abschiebegewahrsam in Grünau, erklärten Kosan und eine Vertreterin der „Initiative gegen Abschiebehaft“ übereinstimmend. Es gehe vielmehr um eine Vielzahl von Beschwerden. Am gravierendsten sei die lange Haftdauer. Ein Mann aus Sierra Leone sitze bereits seit Februar in der Kruppstraße, andere sind ebenfalls seit mehreren Monaten inhaftiert.

Der Selbstmordversuch eines 18jährigen palästinensischen Abschiebehäftlings am Montag war nach Aussagen der Polizei vorgetäuscht. Der junge Mann habe sich das Bettlaken nicht nur um den Hals, sondern auch unter die Achseln gebunden. Er sei dennoch im Krankenhaus untersucht und anschließend in eine Einzelzelle verlegt worden.

Wie die Vertreterin der „Initiative gegen Abschiebehaft“ weiter erklärte, protestieren die Hungerstreikenden auch gegen eine willkürliche Behandlung durch das Wachpersonal. „Mal dürfen sie länger fernsehen, mal nicht“, sagte sie. Das Essen sei schlecht. Vor kurzem hätten die Gefangenen Joghurt und Butter erhalten, deren Haltbarkeitsdatum bereits überschritten war. Zudem sei die medizinische Versorgung mangelhaft. Die Anträge auf Haftverschonung würden nicht ausreichend geprüft, weil der einzige dafür zuständige Amtsrichter im Akkord bescheide.

Der Staatssekretär der Senatsverwaltung für Inneres, Kuno Böse, erklärte gestern, daß der Aufenthalt in Abschiebehaft durchschnittlich bei 13 Tagen liege. Nur in Einzelfällen seien Häftlinge auf richterliche Anordnung für mehrere Monate dort. Dorothee Winden