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Lonely Surferin im Internet

Sind Computernetze, was Frauen wirklich wollen?  ■ Aus Hamburg Karin Flothmann

Kulturinstitute, Kinematheken und nicht zuletzt das Fernsehen feiern in diesem Jahr die hundertjährige Geschichte des Films. Videospiele schafften es in nur zehn Jahren, den Film auf dem Markt zu überholen. In immer kürzeren Zeitabständen folgt eine technologische Neuheit der anderen. Alle zwanzig Monate verdoppelt sich weltweit die Menge der zur Verfügung stehenden Informationen. Wir leben heute „im Zeitalter der Informationsrevolution“, findet die Londoner Soziologin Sally Wyatt. Und diese Revolution „wird ebenso tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringen wie die industrielle Revolution vor 200 Jahren“.

Wie die Folgen einer solchen Revolution aussehen werden, darüber mochten am letzten Wochenende in Hamburg nur wenige spekulieren. Daß Frauen an der Informationsgesellschaft nicht vorbeikommen, darüber waren sich alle einig. „Auf dem Weg in die Kabeldemokratie?“ lautete die Frage, die die grünennahe Frauenanstiftung ihrer Tagung voranstellte. Die Medienwissenschaftlerin Ingrid Volkmer fand diese Frage zu kurz gegriffen. Sie vertrat die These, mit Hilfe der neuen Kommunikationstechnologien befände sich die Welt auf dem Weg zur „globalen Zivilgesellschaft“.

Immerhin bieten weltweite Computernetze wie das Internet nahezu unbeschränkte Möglichkeiten der demokratischen Beteiligung. Quer zu den traditionellen Strukturen von öffentlich und privat, so die These der Frauenanstiftung, eröffnen sie neue Räume für Frauen, die diese nur noch nutzen müssen. KritikerInnen dagegen meinen, daß die vernetzten Computertechnologien immer größere soziale Gruppen ausgrenzen. Millionen von Menschen surfen schon im Internet von Information zu Information; allerdings leben 71 Prozent von ihnen in Nordamerika, ein gutes Viertel in Europa und Australien. Von den 54 afrikanischen Staaten sind derzeit nur zwölf an das Internet angeschlossen.

In den Computernetzen sind auch Frauen kaum vertreten. Rund 90 Prozent der Internet- Surfer sind weiße Männer im Alter von 26 bis 35 Jahren. Meist haben sie einen Hochschulabschluß, ihr mittleres Einkommen liegt deutlich über dem Durchschnitt. „Informationstechnologien“, so das Credo von Sally Wyatt, „prägen unsere Gegenwart und unsere Zukunft.“ Entscheidend ist, wer die Kontrolle über sie hat, wer sich den Zugang verschafft.

„Wenn Frauen nicht endlich eine Auffahrt zur Datenautobahn benutzen, werden die Männer an ihnen vorbeirasen“, meint auch Nadine Strossen, Professorin an der New York Law School. Immerhin findet die Surferin im Internet Informationen von Menschen- und Frauenrechtsgruppen, von internationalen Umweltorganisationen wie Greenpeace, ganze Bibliotheken und Zeitungen, wie die feministische Zeitschrift Ms. aus den USA. Neben der unvermeidlichen kommerziellen Werbung schwärmt aber auch Pornographie durch das Netz.

In den USA mehren sich daher die Stimmen, die sich für staatliche Restriktionen im Cyberspace aussprechen. Vor allem nach der Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin, so erklärt Nadine Strossen, wird heftig darüber diskutiert, ob haßgeprägte politische Äußerungen zensiert werden sollten. Und in Deutschland überlegen die Justizminister der Länder derzeit, wie sie Angebote zur Kinderpornographie aus dem internationalen Datennetz verbannen können. In den USA monieren Eltern, daß ihre Kinder im Internet per Zufall auf Pornographie stoßen können. Auch sie rufen nach Zensur. Eine solche Forderung kann nur nach hinten losgehen, meint Nadine Strossen. Denn in den USA existierten sogenannte Watchdog- Programme, die in den Netzen alle „expliziten“ Texte aufspüren und am eigenen Rechner ausblenden, Filter zum Schutz der Kinder.

Der amerikanische Kongreß berät zur Zeit über das „Communication Decency Act“, zu deutsch etwa: Gesetz für den Anstand in der Kommunikation. Damit könnte künftig jede unanständige Äußerung strafrechtlich verfolgt werden. Strossen, die auch Vorsitzende der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) ist, spricht sich vehement gegen eine solche Zensur aus. „Wer definiert denn, was unanständig ist?“ fragt sie. Moralapostel verstehen darunter in der Regel jegliche sexuelle Konnotation.

Für den Fall, daß das Anstandsgesetz durchkommt, haben Bürgerrechtsorganisationen schon eine Klage vorbereitet. Zu den KlägerInnen gehören Lesben- und Schwuleninitiativen, die im Internet Informationen zum Coming- out oder homosexueller Sexualität anbieten. Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch befürchtet, daß ihre Berichte über sexuelle Gewalt, Zwangsprostitution oder die Massenvergewaltigungen in Bosnien als zu obszön gelten könnten.

Nicht zensieren, sondern sich einmischen, das propagiert Nadine Strossen und wartet mit einem Beispiel auf: Als einige Studenten der New Yorker Universität unlängst im Internet „75 gute Gründe“ auflisteten, warum Frauen das freie Rederecht aberkannt werden sollte, hagelte es Proteste. Binnen kürzester Zeit meldeten sich mehr als 20.000 empörte NetzsurferInnen zu Wort und trieben den Großrechner der Universität beinahe in den Kollaps.

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