RWE versucht's jetzt mit der Brechstange

■ Konzern will Revision für das AKW Mülheim-Kärlich vor Gericht erzwingen

Koblenz (taz) – Selten gab es ein eindeutigeres Urteil: Die Erste Teilerrichtungsgenehmigung-Neu (TG) für das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich aus dem Jahre 1990 ist aufgehoben. Und eine Revision gegen dieses Urteil wurde vom 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts in Koblenz nicht zugelassen. Dabei ist die aufgehobene Erste TG-Neu schon die zweite Erste TG. Die ursprüngliche fehlerhafte Baugenehmigung war von der CDU-Landesregierung des Helmut Kohl im Jahr 1975 erteilt und schon 1988 vom Bundesverwaltungsgericht in Berlin aufgehoben worden. Das RWE hat nach dem Koblenzer Urteil zwei Optionen: Entweder kann der Konzern bei der Landesregierung in Mainz zum drittenmal eine Erste TG beantragen. Mit mageren Erfolgsaussichten, die amtierende Umweltministerin Klaudia Martini (SPD) möchte den Reaktor lieber heute als morgen abgewrackt sehen. Und die Kommunen und BürgerInnen würden gegen eine etwaige Genehmigung erneut klagen. Zumal die Anlage ganz bestimmt nicht mehr dem vom Atomgesetz geforderten „neuesten Stand der Technik“ entspricht.

RWE versucht es deshalb mit der Brechstange. Man sei nicht gewillt, das Urteil als endgültig hinzunehmen, hieß es gestern in Essen. Gegen die Nichtzulassung der Revison will RWE Klage eingereicht. Schließlich gehe es um rund 450 Arbeitsplätze – und um die sich auf rund 4 Milliarden Mark summierenden Kosten für den Reaktor. Sollte RWE mit einer Klage erfolgreich sein, muß das gesamte Verfahren noch einmal vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin ausgetragen werden.

Daß RWE die wohl in den Sand gesetzten Milliarden – obgleich das AKW inzwischen (fast) abgeschrieben ist – vom Land Rheinland-Pfalz wieder zurückhaben will, weil die Landesbehörden offensichtlich gleich zweimal fehlerhafte Genehmigungen erteilten, steht außer Zweifel. In einem ersten Schadensersatzprozeß wurde das Land schon dazu verurteilt, die Hälfte der Investitionskosten und der „Vorhaltekosten für die Betriebsbereitschaft“ an RWE zu überweisen. Hier ging das Land allerdings in die Revision.

So richtig Freude herrschte deshalb am Tag nach dem Urteil nur bei den Bürgerinitiativen und den Bündnisgrünen. Die Bündnisgrünen forderten die SPD/FDP-Landesregierung auf, aus dem „Desaster der Genehmigungsbehörde“ endlich personelle Konsequenzen zu ziehen. Noch heute würden zum großen Teil dieselben Leute in der Genehmigungsbehörde sitzen, die bei der Bewertung der Risiken überfordert waren oder schlampig gearbeitet hätten. Klaus-Peter Klingelschmitt