Wettbewerb bei Onlinediensten nur noch virtuell

■ Die Allianz von Bertelsmann, Telekom und Springer – ein Fall fürs Kartellamt

Berlin (taz) – Nach der Ankündigung einer „strategischen Allianz“ zwischen den Großfirmen AOL Europa Bertelsmann Online, der Deutschen Telekom und dem Axel-Springer-Verlag haben die Kartellbehörden das Wort. Ein Sprecher des Bundeskartellamts sagte der Nachrichtenagentur Reuter, wegen der Größe der Firmen und der Märkte werde für das Zusammengehen der Online- Dienste AOL („America Online“) und T-Online (früher Btx) wohl die Kartellbehörde der Europäischen Kommission zuständig sein. Der Leiter der zuständigen Beschlußabteilung beim Bundeskartellamt, Kurt Stockmann, erklärte gegenüber der taz, bisher sei seine Behörde noch nicht über die genaue geplante gesellschaftsrechtliche Verflechtung zwischen den Firmen informiert worden.

Bertelsmann-Sprecher Helmuth Runde wollte allerdings gestern ausdrücklich einen Vorabbericht der Zeitschrift Capital nicht dementieren, wonach das deutsche Joint Venture AOL Bertelsmann ein Drittel beim Telekomdienst T-Online übernimmt und umgekehrt die Deutsche Telekom ein Drittel beim deutschen AOL- Dienst. Außerdem will die Deutsche Telekom sich mit fünf Prozent an der amerikanischen Mutter „America Online“ mit vier Millionen Abonnenten beteiligen.

Dagegen dementierten die beteiligten Firmen ausdrücklich, die beiden deutschen Dienste könnten zusammengelegt werden. T-Online soll sich vielmehr auf die professionelle Nutzung spezialisieren, AOL dagegen auf die „erlebnishungrigen“ Privatkunden – auch wenn es da keine strikte Aufteilung gebe. Beide Dienste, so wird betont, müssen getrennt abonniert werden – allerdings gibt es „wahrscheinlich“ einen Rabatt für Kunden beider Dienste. Das Monatsabo von AOL soll unter 15 Mark kosten – ohne Extragebühren für einzelne Inhalte.

Daß die Selbständigkeit der beiden Bestand hat, scheint allerdings unwahrscheinlich – auch wenn sie heute für den Genehmigungsprozeß durch die Kartellbehörden unabdingbar ist. Schließlich dürften die Nutzerprofile sich als weit differenzierter erweisen als die geplante Zweiteilung. Homebanking (heute die Spezialität von T-Online) werden auf Dauer auch die „erlebnishungrigen“ Kunden von AOL suchen, und die heute noch inkompatible Software dürfte in absehbarer Zeit durch den Internetstandard vereinheitlicht sein. Wozu dann noch „eigenständige Marken“, wie heute betont wird – außer fürs Kartellamt?

Die eigentliche Konkurrenz sehen die neuen Verbündeten in Microsoft. Zwar bietet dessen Onlinedienst den Nutzern bisher nur wenig, aber Bill Gates kauft derzeit wie wild Datenbanken und andere mögliche Inhalte. Vor allem aber will Microsoft bis Ende nächsten Jahres 30 Millionen mal Windows 95 verkauft haben – wer es hat, besitzt auch schon die Software für Gates' Onlinedienst.

Auch Burda kündigte gestern Neues an: Der Konzern, der vor kurzem bekanntgab, sein geplanter Dienst „Europe Online“ werde im Internet laufen, gab seine Zusammenarbeit mit dem US-Unternehmen Netscape bekannt, dem Marktführer bei Internetsoftware. Michael Rediske

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