Krach im Fishtown-Parlament

■ Hildegard Lenz verläßt SPD und will mit AfB in den Magistrat /CDU,SPD und Grüne sauer

Ein handfester Krach erschüttert derzeit die Gemüter in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung. Nur vier Wochen nach der konstituierenden Sitzung des Seestadt-Parlaments hat die Sozialdemokratin Hildegard Lenz ihr Parteibuch zurückgegeben. Seit zwei Tagen ist sie Mitglied der Wählergemeinschaft Arbeit für Bremen und Bremerhaven (AfB). Die Kukident-Riege (Stern) ist über diese Verstärkung von einem Sitz besonders glücklich und will mit ihrem neuen Mitglied in den Magistrat einziehen – notfalls per Gerichtsbeschluß.

Fast 30 Jahre war Hildegard Lenz Mitglied in der SPD. 24 Jahre lang saß sie in der Bremischen Bürgerschaft. Zuletzt war sie Vorsitzende des Petitionsausschusses. Seit einem Monat ist sie Stadtverordnete für die Bremerhavener SPD. Doch bei den Seestadt-Sozis fühlte sich Hildegard Lenz nicht wohl. „Die jetzige politische Richtung“ und der „Stil des Miteinanderumgehens“ mißfielen der Feierabend-Politikerin. Der „Wählerwille“ habe deutlich gezeigt, daß die Wähler und Wählerinnen die SPD lieber in der Opposition sehen wollten“, begründet die ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete ihren Austritt in einer schriftlichen Erklärung. Im Kooperationsvertrag seien die „wichtigen und existentiellen Belange Bremerhavens weitgehend unzureichend abgesichert“, kritisiert sie weiter. Und auch daß die AfB „nur durch einen ungünstigen Wahlmodus (Höchstzahlenverfahren d'Hondt) nicht im Magistrat vertreten ist“ findet sie ungerecht. Mit ihrem Übertritt will Hildegard Lenz der AfB deshalb endlich zu ihrem Recht verhelfen: „Das ist demokratisch und gerecht.“

Gerecht und demokratisch fänden es CDU, SPD und Grüne hingegen, wenn Hildegard Lenz ihr Mandat niederlegen würde. Durch abtrünnige Abgeordnete würden die „Wahlergebnisse nach eigenem Belieben verfälscht, um sich in der neuen Heimat einen Platz im Magistrat zu erschleichen“, schimpfen die Grünen im Chor mit CDU und SPD. „Grundlagen für die Besetzung des Magistrats sind nicht eigennützige Absichten von Überläufern, sondern allein das Wahlergebnis und das gültige Auszählverfahren“, betont Christian Scherzer (Grüne). Schützenhilfe bekommt er von der großen Kooperation: Maßgeblich für die Wahl der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder sei „das Wahlergebnis vom 24. September und die daraus folgende Stärke der Fraktionen in der konstituierendenSitzung“, beharren CDU-Fraktionsvorsitzender Paul Bödeker und SPD-Chef Jörg Schulz einvernehmlich.

„Das werden wir ja sehen“, entgegnet Helmut Kuhlmann, Fraktionsvorsitzender der AfB. „Wir werden kämpfen. Wenn die einfach „no“ sagen, werden wir klagen. Die Stadtverfassung gibt ihm auf den ersten Blick recht. Bei der Wahl der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder „sind die Vorschläge der Fraktionen ... im Verhältnis ihrer Sitze in der Stadtverordnetenversammlung zu berücksichtigen“, heißt es dort. Am 7. Dezember steht die Wahl zweier ehrenamtlicher Magistratmitglieder auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung. Skeptiker glauben daher nicht an einen Zufall, daß Hildegard Lenz ausgerechnet jetzt aus der SPD ausgetreten ist, um sich der AfB anzudienen. „Die war sauer, weil sie von der SPD nicht für den Stadtverordnetenvorstand vorgeschlagen wurde“, vermutet ein SPD'ler, der nicht namentlich nicht genannt werden möchte.

Auch Jörg Schulz nimmt an, daß „enttäuschte Hoffnungen eine Rolle bei dem Parteiaustritt gespielt haben“. „Inhaltlich gab es keine Differenzen. Sie hatte sich vielleicht Hoffnung auf eine Position mit höhreren Bezügen gemacht.“ Als ehrenamtliches Magistratsmitglied würde Hildegard Lenz statt 840 Mark Aufwandsentschädigung 1.470 Mark monatlich kassieren.

Daß die ehemalige Stadtangestellte Stadträtin wird – sollte die AfB sich durchsetzen – ist sicher. „Wir haben mal gefragt, wer das bei uns machen könnte“, plaudert Fraktionschef Kuhlmann aus der letzten Sitzung. „Da war nur Frau Lenz übrig. Die ist die einzige, die Zeit dafür hat.“ kes