: Sechs suchen die Richtigen
Sie klotzt nicht nur, sondern kleckert auch und hilft oft genug, wenn's brennt: Die Stiftung der Deutschen Klassenlotterie Berlin ist die bedeutendste Kunstmäzenin der Stadt – aber zugleich auch ein parteipolitisches Spielzeug ■ Von Ulrich Clewing
Im vergangenen September lud der Verein der Freunde der Nationalgalerie zum Skatturnier ins noble Interconti. Das Startgeld betrug 500 Mark pro Mann, zusätzliche Spenden waren ausdrücklich erwünscht.
Das Ganze diente einem guten Zweck. Die prominenten Skatfreunde aus Politik und öffentlichem Leben sollten helfen, Otto Dix' millionenschweres Gemälde „Die Skatspieler“ nach Berlin zu holen. Zu diesem Zeitpunkt lag der größte Teil der Summe, die der bisherige Besitzer des Bildes, ein Privatsammler aus den USA, forderte, freilich schon auf dem Tisch. Das Geld hatte eine Institution lockergemacht, die mit Fug und Recht von sich behaupten kann, Berlins bedeutendste Mäzenin zu sein: die Stiftung der Deutschen Klassenlotterie Berlin (DKLB).
Das Bild „Die Skatspieler“ ist nur ein Beispiel unter vielen. „Die Stiftung Klassenlotterie soll „schnell und weitgehend unbürokratisch reagieren, wenn ein wertvolles Gemälde auf dem internationalen Kunstmarkt angeboten wird“, sagt DKLB-Abteilungsleiter Reinhard Düsberg.
Eine – gelinde gesagt – eigenwillige rechtliche Konstruktion macht's möglich. Die Klassenlotterie, immerhin ein staatlicher Betrieb, muß ihre Überschüsse nicht direkt an die Landeskasse abgeben, sondern überantwortet diese einer eigens gegründeten Stiftung zu treuen Händen.
Seit das Stiftungsgesetz 1974 in Kraft trat, ist die DKLB verpflichtet, ein Fünftel ihres Umsatzes als sogenannte „Zweckabgabe“ an die Stiftung zu überweisen. Dazu kommt der Bilanzgewinn, den die DKLB zu hundert Prozent an die Stiftung abführen muß. Die Mittel, die sich so ansammeln, tauchen in keinem öffentlichen Haushalt auf. Aus dieser Kasse fließt Geld, wenn's brennt.
Ohne Lotto würde der Berliner Kulturszene etwas fehlen: Allein 1994 steckte die Stiftung kulturellen Einrichtungen 47 Millionen zu. Im Jahr zuvor waren es sogar noch mehr: 55 Millionen Mark.
Auch 1995 hat sich die DKLB bis dato nicht lumpen lassen. Dem Brücke Museum kaufte sie das Bild „Artistin, Marcella“ von Ernst Ludwig Kirchner. Das 5 Millionen Mark teure Gemälde von 1910 gilt als ein Hauptwerk des expressionistischen Malers. Einen ähnlichen Betrag erhielt die Berlinische Galerie als Zuschuß zur Mammutausstellung Berlin– Moskau/Moskau–Berlin. Über knapp 2 Millionen Mark freuen darf sich das Schwule Museum, das 1997 die Ausstellung „100 Jahre Schwulenbewegung“ plant. 2 Millionen Mark spendierte die Klassenlotterie auch der Akademie der Künste, die damit ihr Klang-Installations- und Performance-Festival „SoundArt 1996“ finanziert. Das Museum für Verkehr und Technik schließlich bekam für drei historische Flugzeuge eine Million zugesteckt.
Aber die Stiftung Klassenlotterie klotzt nicht nur, sie kleckert auch. Der alternative Kunstverein Acud bekam 20.000 Mark für eine neue Belüftungsanlage. Ein Ausstellungsprojekt von Kunst und Knast e.V. wurde mit 17.000 Mark unterstützt, das Doppelkonzert der Berlin-Singers e.V. mit dem Titel „Kurt Weill am Broadway – Ein Deutscher in Amerika“, das im Dezember stattfinden wird, war der Stiftung immerhin noch 13.000 Mark Zuschuß wert.
Und das ist lange nicht alles. Die Stiftung Klassenlotterie fördert per Definition nicht nur die Kultur, sondern auch Projekte aus den Bereichen Soziales, Staatsbürgerkunde und Sport. Ein fester Schlüssel, nach dem die Zuschüsse verteilt werden, existiert nicht. Einzige Ausnahme: Dem Sport stehen von vornherein zwanzig Prozent der Lottogelder zu.
Reinhard Düsberg findet das alles prima. So könnten Projekte finanziert werden, „die im normalen Haushalt nicht vorgesehen sind“. Daß die Klassenlotterie ihren Gewinn direkt dem Land Berlin überläßt, hält der DKLB-Mann für keine Lösung: „Dann sind die Millionen weg.“ Obendrein, aber das sagt Düsberg natürlich nicht, hätte dann ein intimer Zirkel von PolitikerInnen kein Spielzeug mehr.
Das Procedere ist immer das gleiche. Die Antragsteller, meist Vereine, Stiftungen oder sonstige öffentliche Einrichtungen, füllen Formblätter aus und schicken sie an die Zentrale der DKLB in der Brandenburgischen Straße. Von dort werden die 100 bis 120 Anträge, die vierteljährlich anfallen, an die zuständigen Senatsstellen weitergeleitet. Deren Fachreferenten verfassen kurze Gutachten und geben den Wust zurück an die Klassenlotterie. Für die Antragsteller ist dies nicht immer hilfreich. Wer bei der Fachbehörde keinen Stein im Brett hat, kann es ganz schön schwer haben. Stadtbekannt sind etwa die Differenzen zwischen Reiner Güntzer, Chef der neuen Stiftung Stadtmuseum Berlin, und dem Direktor des Jüdischen Museums, Amnon Barzel. Als Güntzer noch Museumsreferent von Kultursenator Ulrich Roloff-Momin war, stellte Barzel für sein Jüdisches Museum dreimal Lottoanträge für Ausstellungsprojekte. Merkwürdig: Alle drei wurden abschlägig beschieden.
Offiziell fällt die Entscheidung, wer wieviel Geld kriegt, der Stiftungsrat. Dieses Gremium setzt sich zusammen aus sechs von Senat und Abgeordnetenhaus bestimmten Politikern und besteht jeweils für eine Legislaturperiode. Derzeit amtieren die CDU-Senatoren Dieter Heckelmann und Elmar Pieroth, die Bürgermeisterin und Senatorin für Arbeit und Frauen, Christine Bergmann (SPD), sowie die Abgeordneten Dankward Buwitt (CDU), Horst-Achim Kern (SPD) und Klaus-Rüdiger Landowsky (CDU). 1994 verteilten die sechs insgesamt exakt 133.279.000 Mark.
Nach welchen Kriterien das geschieht, bleibt dabei völlig im dunkeln. Der Stiftungsrat tagt alle drei Monate. Die Sitzungen sind nicht öffentlich, für die Bewilligung eines Zuschusses genügt eine einfache Mehrheit, ablehnende Bescheide werden grundsätzlich ohne nähere Begründung verschickt. Das würde ohnehin „nichts bringen“, glaubt Düsberg: „Der Stiftungsrat soll ohne Druck von außen entscheiden und nicht noch irgendwelchen weiteren Gremien unterworfen sein.“
So könnten Dinge bewegt werden, die ansonsten in „eine Mühle der Diskussionsprozesse geraten“ würden. Außerdem säßen in dem Stiftungsrat Persönlichkeiten, die sich „multinational, aufgeweckt und überpolitisch“ gäben: „Sie versuchen auch Randgebiete abzudecken.“
Notfalls wird die Satzung geändert
Manchmal aber hat es eher den Anschein, als sei den „big spenders“ das eigene Hemd am nächsten. Neben Museen, dem Zoo und verschiedenen karitativen Einrichtungen gehören die parteinahen Stiftungen zu den Dauerempfängern von Lottogeldern. Die große Koalition im Stiftungsrat zahlt der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Friedrich Ebert-Stiftung je 1,7 Millionen Mark, Grüne und FDP beziehungsweise deren Stiftungen erhielten bisher weniger als die Hälfte, 735.000 Mark pro Jahr – Schweigegeld, wenn man so will.
Bisweilen fallen die Entscheidungen auch ganz plötzlich. Das Tourneetheater des Berliner Ensembles etwa hatte sich aus Geldmangel bereits aufgelöst, als 700.000 Mark vom Lotto kamen. Ensemble-Leiter Thorsten Weckherlin freute sich natürlich, mußte aber in kurzer Zeit wieder von null auf hundert kommen. Zum Glück hatten nicht alle Schauspieler bereits ein anderes Engagement.
Interessant ist auch, wer keine Aussichten auf Lottomittel hat. Regelmäßig abgeblitzt ist beispielsweise der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). In diesem Fall war die Stiftung sogar um eine Begründung nicht verlegen. Umweltschutz zähle nicht zu den per Gesetz festgelegten Aufgabengebieten der Stiftung, hieß es. Alle Versuche des BUND, Umweltschutz durch Gespräche mit Abgeordneten auf politischem Weg zum Stiftungsziel zu machen, scheiterten bislang.
Ebensowenig erfolgreich waren Bemühungen, den Schattenhaushalt der Stiftung zu kürzen. Als 1989 die Zeit der rot-grünen Regierung kam, wurde unter anderem die Satzung der DKLB geändert. Ein Viertel des Bilanzgewinns sollte fortan unmittelbar dem Landeshaushalt einverleibt werden. Kaum regierten in Berlin CDU und SPD, waren die alten Verhältnisse wiederhergestellt.
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