"Atmosphäre der Diskriminierung"

■ Zum zweiten Jahrestag des PKK-Verbots fordert "Genocide Watch" dessen Aufhebung und erstellt eine Dokumentation über die "Verfolgung von KurdInnen in Berlin" / Razzien "wie in Kurdistan" erlebt

Den zweiten Jahrestag des PKK-Verbots hat „Genocide Watch“ zum Anlaß genommen, eine Dokumentation über die „Verfolgung von Kurdinnen und Kurden in Berlin“ vorzulegen. „Genocide Watch“ ist eine von medico international unterstützte neue Initiative, die insbesondere Menschenrechtsverletzungen an kurdischen Flüchtlingen dokumentieren will. Das Verbot der kurdischen Partei im November 1993 durch den Bundesinnenminister habe als Vorwand gedient, so Ronald Ofteringer von der Initiative, „den Polizeiapparat massiv auszubauen“. In Berlin würden politisch aktive KurdInnen bundesweit am intensivsten verfolgt.

In der Dokumentation versucht „Genocide Watch“, „Ausmaß und Methodik“ der Polizei auszuleuchten. Bereits vor dem PKK-Verbot, im März 1993, sei die Sonderkommission zur Bekämpfung von Erpressungen bei türkischen Geschäftsleuten gegründet worden. Diese „Ermittlungsgruppe Spenden“ nenne sich nunmehr LKA 5134 und sei „die Kurdeneinheit der Berliner Polizei“. Zu ihren Aufgaben gehöre es, kurdische Gewerbetreibende zu überwachen und Spitzel zu rekrutieren, kurdische Vereine und Wohnungen zu durchsuchen sowie DemonstrationsteilnehmerInnen zu filmen. Die Polizei gehe dabei oftmals sehr brutal vor, außerdem arbeite sie mit dem türkischen Geheimdienst zusammen. Wie viele Razzien es schon gab und wie viele Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz laufen, ist der Dokumentation allerdings nicht zu entnehmen.

Welche verheerende Wirkung solche polizeilichen Maßnahmen vor allem in den Köpfen der Betroffenen hinterlassen, dafür waren in der Pressekonferenz beredte Beispiele zu hören. „Wir erleben diese Razzien genauso, als ob wir in Kurdistan wären“, so eine junge Frau vom Verein Navca Kurd. Ein seit fünfzehn Jahren in Berlin lebender Kurde drückte es so aus: „Der deutsche Staat versucht, einzelne Menschen aus unseren Zusammenhängen herauszureißen und als Spitzel anzuwerben. Auch bei mir hat er wiederholte Versuche gemacht. Das ist empörend und ehrverletzend. Einer Weltmacht geziemt es nicht, auf eine so niveaulose Weise an uns heranzutreten. Der deutsche Staat soll wissen: Wir werden uns durch nichts vom Kampf abbringen lassen.“

Gemäßigter drückte sich der Vorsitzende der kurdischen Gemeinde zu Berlin, Hassan Hohamed-Ali, aus: Das PKK-Verbot sei „ein unüberlegter Akt, der dringend revisionsbedürftig ist“. Es habe zu einer „Atmosphäre der Diskriminierung“ geführt. Im Alltag habe allein das Wort Kurde oft schon massive Folgen. Der Vorsitzende appellierte an die PolitikerInnen, statt dessen „den Weg des Dialogs einzuschlagen“.

Ausgerechnet in der rechtesten Ecke der CDU ist dieser Appell nicht ungehört verhallt. Nach seinem Besuch bei PKK-Chef Abdullah Öcalan in Damaskus versprach der CDU-Bundestagsabgeordnete Heinrich Lummer, sich für die Wiederzulassung der PKK einzusetzen, wenn sie in Deutschland fürderhin auf Gewalt verzichte, und genau das habe ihm Öcalan versprochen. Außerdem habe „Apo“ seine Bereitschaft erklärt, mit den deutschen Behörden – sprich der Polizei – bei der Bekämpfung des Drogenhandels zusammenzuarbeiten. Ute Scheub