Die Hand gereicht

■ Durch ein fragwürdiges 2:1 in Turin erreichte Borussia Dortmund das Viertelfinale der Champions League

Berlin (taz) – Vor allem bei den großen und erfolgreichen Fußballvereinen Europas regt sich verschärfter Unmut über den Modus der Champions League. Silvio Berlusconi, Präsident des AC Mailand, ist sauer, daß sein Verein diesmal nur im UEFA-Cup kicken darf und propagiert einmal mehr sein altes Modell einer Europaliga, bei der Milan selbstverständlich fester Bestandteil wäre. Borussia Dortmunds Manager Michael Meier bemängelt die Unausgewogenheit der Gruppen und findet es gar nicht gut, daß die TV-Gelder gleichmäßig unter die 16 Teilnehmer verteilt werden, wo doch Mannschaften wie seine Borussia den Löwenanteil einspielen. Bayern Münchens Präsident und Chef- Analysator Franz Beckenbauer möchte kurzerhand das gute alte K.o.-System wiederhaben. Die UEFA verwahrte sich zwar gegen die Einmischung der Klubs, kündigte aber für den 24. Februar Gespräche über eine Neuorganisation der Champions League an. Spätestens seit Mittwoch haben die Kritiker aus Mailand, Madrid, Turin, München und Dortmund einen weiteren Verbündeten, der allerdings nicht unbedingt zu den europäischen Größen gehört: Steaua Bukarest. Der unverhoffte 2:1-Sieg der Dortmunder Borussen bei Juventus Turin raubte dem rumänischen Meister jede Chance für das Erreichen des Viertelfinales und gibt ihm allen Grund, über eine gravierende Wettbewerbsverzerrung zu klagen. Während Steaua bei seinem Turiner Gastspiel auf ein Juve-Team im Vollbesitz seiner Kräfte traf und mit 0:3 unterging, bekamen es die Dortmunder mit der zweiten Mannschaft des italienischen Meisters zu tun, die vermutlich sogar gegen die Blackburn Rovers in Schwierigkeiten geraten wäre.

Inzwischen hatte Juventus den ersten Platz der Gruppe C sicher und Trainer Lippi fand es angemessen, seine besten Kräfte für das Spitzenspiel gegen den AC Parma am Wochenende zu schonen. Ravanelli und Torricelli waren ohnehin gesperrt, Paulo Sousa, Deschamps, Conte, Ferrara und Del Piero, der 20 Minuten vor Schluß doch noch kam, durften sich erholen: „Sie sind müde und brauchen eine Pause“, sagte Lippi.

Das geringe Interesse der Turiner an dieser Partie spiegelte sich beim Publikum wieder. Knapp 30.000 Zuschauer verloren sich auf den Rängen des Stadio delle Alpi, die meisten von ihnen dem akustischen Vernehmen nach aus Dortmund angereist. Zuerst setzten jedoch auch die Ersatzspieler von Juventus – bestrebt, ihre fußballerische Klasse zu demonstrieren – die Dortmunder unter Druck, die es Torhüter Klos zu verdanken hatten, daß sie nicht in Rückstand gerieten. Erst als Zorc in der 29. Minute aus 17 Metern das 1:0 erzielte, kam die mangelnde Harmonie im Juve-Team zum Tragen. „Erst, wenn eine Mannschaft in Rückstand gerät, zeigt sich, welche Klasse sie besitzt“, analysierte trefflich Borussen-Coach Ottmar Hitzfeld. Nach dem 0:1 sei die mangelnde Eingespieltheit der Turiner offenkundig geworden und vor allem in der Abwehr habe es Abstimmungsprobleme gegeben. Dies zeigte sich am krassesten in der 65. Minute, als Carrera einen Reuter-Lupfer über einen hinter ihm stehenden Mitspieler hinweg genau auf den Fuß von Lars Ricken verlängerte. Dieser drosch den Ball volley ins Netz.

Der Freistoß-Treffer von Del Piero in der Nachspielzeit konnte den Borussen nichts mehr anhaben, nach dem 1:1 von Bukarest in Glasgow war die Qualifikation für das Viertelfinale geschafft. „Geschenk von Juventus für Borussia“, titelte die Gazzetta dello Sport, Torschütze Zorc mochte das nicht abstreiten, bemühte sich aber, die Leistung der eigenen Mannschaft ins rechte Licht zu rücken: „Die Hand, die Juve uns gereicht hat, mußten wir erst mal ergreifen. Wären wir schlecht gewesen, hätten wir trotzdem verloren.“

Am Abend kehrte dann ein gewisser Übermut im Lager der Westfalen ein, die es im Viertelfinale immerhin mit Titelverteidiger Ajax Amsterdam zu tun bekommen, der Real Madrid im Bernabeu-Stadion glatt an die Wand spielte und mit 2:0 gewann. „Ich hätte nichts dagegen, wenn Juve und der BVB noch einmal aufeinandertreffen würden – im Endspiel“, träumte Präsident Gerd Niebaum, und Ottmar Hitzfeld optimistelte: „Ajax ist sicher Favorit, aber das war Juve auch.“ Leider besteht Grund zu der Annahme, daß die Amsterdamer im März mit ihrer ersten Mannschaft antreten werden. Matti Lieske

Borussia Dortmund: Klos - Sammer - Schmidt, Kohler - Reuter, Zorc, Möller (90. Sosa), Freund, Kree - Herrlich (76. Riedle), Ricken (68. Berger)

Tore: 0:1 Zorc (29.), 0:2 Ricken (65.), 1:2 Del Piero (90.)

Juventus Turin: Peruzzi - Porrini, Carrera, Vierchowod, Pessotto - Di Livio, Marocchi, Jugovic (46. Sorin), Tacchinardi (82. Fusi) - Vialli (66. Del Piero), Padovano