■ Die Menschenwürde von Flüchtlingen
: Die Drittstaatenregelung wird fallen

Das Asylrecht ist tot, es lebe das Asylrecht. Ungerupft wird der sogenannte Asylkompromiß die Überprüfung durch das Verfassungsgericht wohl kaum überstehen. Der minimale Schutz für bedrohte Flüchtlinge dürfte dabei wiederhergestellt werden. Dazu gehört entgegen der aktuellen Konzeption des Artikels 16a Grundgesetz eben auch, daß ein Flüchtling, der mit guten Gründen geltend macht, daß ihm bei der Abschiebung in einen Drittstaat die Weiterschiebung in den Verfolgerstaat droht, Schutz erhalten kann. Der entgegenstehende Automatismus des geltenden Artikels 16a GG ist nicht durchzuhalten. Die Position der Regierung, daß es auf den Einzelfall nicht ankommen dürfe, kann das Verfassungsgericht bei Strafe des völligen Verfalls seiner moralischen Autorität einfach nicht übernehmen. Schließlich hat das Gericht über Jahrzehnte hinweg ein „Menschenbild des Grundgesetzes“ entwickelt, das gerade das Individuum und nicht die Staatsräson als Mittelpunkt der Verfassungsordnung postuliert.

Auf welchem Weg der Zweite Senat dabei vorgehen wird, ist noch offen. Er wird wohl nicht den Grundgesetzartikel 16a selbst für verfassungswidrig erklären, wie dies die Anwälte eingangs forderten. Das Gericht will sicher den Eindruck vermeiden, die „HüterInnen der Verfassung“ stellten sich diesmal über dieselbe, die Annahme von „verfassungswidrigem Verfassungsrecht“ hat es bislang noch nie gegeben. Statt dessen könnten sie den Artikel 16a GG streng beim Wort nehmen. Nach Absatz 2 muß ein sicherer Drittstaat die Genfer Flüchtlingskonvention respektieren. Diese Sicherheit muß dann aber auch im Einzelfall gelten. Man könnte auch den tatsächlichen Abschiebungsschutz durch das Ausländerrecht (Paragraph 51) stärken, weil er sich direkt aus dem Menschenwürdeschutz des Grundgesetzes ergibt.

Dieser Menschenwürdeschutz ist also das nicht unterbietbare Minimum für den Schutz von verfolgten Flüchtlingen. Dies sollten sich auch Politiker wie Eylmann (CDU) und Lafontaine (SPD) vor Augen führen, die den Restbestand des Asylgrundrechts in eine sogenannte institutionelle Garantie ohne individuelle Verfassungsgarantien umwandeln wollen. Auch hier kann der Menschenwürdeschutz des Grundgesetzes nicht unterboten werden! Im Klartext: Die im Falle einer Karlsruher Niederlage angedrohten Grundgesetzänderungen werden weitgehend leerlaufen. Schon deshalb sollten die Drohungen nicht geeignet sein, das Verfassungsgericht einzuschüchtern. Christian Rath