Harter Kampf um die Kunden

■ Mit der Umwandlung von Supermärkten in Discounter machen Großfilialisten den Billiganbietern verschärft Konkurrenz. Die Neueröffnungen in Ostberlin halten an

In Zeitungsanzeigen übertreffen sich Discounter und Verbrauchermärkte mit den günstigsten Schnäppchen. Da lockt der T.I.P. Discount mit „kompromißlos billigen“ Preisen, miniMAL mit „Preisen zum Jubeln“. Bei Plus ist sogar „Jeder Preis ein Volltreffer!“. Großfilialisten wie Kaiser's dagegen kommen weniger knallig daher und werben schlicht mit „gut und günstig“.

So verschieden die Werbung der Discounter, Verbrauchermärkte und Filialunternehmen ist, so verschieden sind auch ihre Marktanteile in den beiden Stadthälften. Während in Westberlin Großfilialisten wie Kaiser's, Bolle und Reichelt mit fast vierzig Prozent an der Spitze liegen, sind es in Ostberlin Verbrauchermärkte und Discounter wie Aldi, Penny, Tip und Plus. Auch sie halten vierzig Prozent, während Großfilialisten dort mit nur knapp 25 Prozent ins Hintertreffen geraten.

Diese Tendenz wird sich nach Einschätzungen der Forschungsstelle für den Handel, Berlin (FfH), die auch Standortanalysen für Unternehmen macht, in den nächsten Jahren noch verstärken. „Der Konkurrenzkampf wird immer härter“, so der FfH-Geschäftsführer Helmut Bunge. Denn der anhaltenden Neueröffnung von Läden, vor allem in Ostberlin, stehe eine gleichbleibende Kaufkraft gegenüber. Im Schnitt gibt jeder Berliner 2.850 Mark pro Jahr für Lebensmittel aus.

Für die nächsten Jahren prognostiziert Bunge Schließungen von Filialen oder „Umfirmierungen innerhalb eines Konzerns“ wie beispielsweise bei Bolle. Seit Jahren schon wandelt der „eher als teuer geltende“ Bolle einzelne Filialen zu Billigläden um. So gehört die Tip-Discountkette zu Bolle. Mit einer billigeren Aufmachung und weniger Personal, so Bunge, werde versucht, das Preisniveau zu senken.

Das Bundeskartellamt achtet mit Argusaugen darüber, daß kein Unternehmen die Marktführung übernimmt. Die „magische Grenze“ liege bei fünfzehn Prozent, so Hans-Joachim Matschuch vom Bundeskartellamt. Doch der Verdacht einer Einzelmarktbeherrschung liege erst bei einem Marktanteil von 33 Prozent vor, oder wenn drei Unternehmen zusammen über fünfzig Prozent haben. Als im Oktober die Edeka- Gruppe in Minden-Hannover den Erwerb von sechzig Prozent an der Otto Reichelt AG beim Kartellamt anmeldete, prüften die Beamten. Sie untersuchten, ob der Zusammenschluß, der sich auf Berlin konzentrierte, stadtweit und auch im Umland zu einer marktbeherrschenden Stellung führen könnte. Mitte November stimmte das Bundeskartellamt der Fusion zu. Durch die Neueröffnung zahlreicher großflächiger Einzelhandelsmärkte anderer Unternehmen sei eine Monopolstellung auszuschließen, so die Begründung.

Reichelt gehört mit achtzig Filialen (69 im Westteil und 11 im Ostteil) neben Tengelmann zu den führenden Unternehmen in der Stadt. Zu Unterschieden im Kaufverhalten der Ost- und Westberliner und entsprechenden Differenzierungen im etwa 8.000 Artikel umfassenden Warenangebot will der Leiter der Rechtsabteilung bei Reichelt, Lutz Werner Hanisch, „keine Statements abgeben“. Wie andere Unternehmensvertreter zeigt auch er sich äußerst zugeknöpft. Zu hart ist der Konkurrenzkampf und zu groß die Angst, Kunden an andere Unternehmen zu verlieren. Auch über eventuelle Umstrukturierungen infolge des neuen Großaktionärs Edeka schweigt Hanisch.

Nach Angaben von Hans- Joachim Matschuch vom Bundeskartellamt ist es zulässig, für das gleiche Produkt in verschiedenen Bezirken unterschiedliche Preise zu nehmen. Doch Reichelt-Mitarbeiter Hanisch verweist auf „Fairneß beim Verkauf“ und betont, daß sein Unternehmen nicht daran denke, für das gleiche Produkt in Zehlendorf mehr zu verlangen als beispielsweise in Marzahn. Dann biete man eher mehr Eigenmarken an, die „preislich an der Unterkante liegen“. Der Leiter der Rechtsabteilung räumt jedoch ein, daß man derzeit daran denke, sich stärker auf bestimmte Nachfragen in Ost- und Westberlin einzustellen. „Was in Westberlin gut läuft“, so Hanisch, „muß in Ostberlin nicht auch gut laufen.“ Barbara Bollwahn