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Versorgt bis zum Umfallen

■ Ferien-Clubs der zweiten Generation verwöhnen mit „All Inclusive“: Cocktail und Zigarette mit im Pauschalangebot

Bequemlichkeit, ich hör' dir trapsen. Ausgerechnet für Fernreisen versprechen große Reiseveranstalter das ultimative häusliche Pantoffeldasein. Im vertrauten Interieur und beim netten Beisammensein unter Gleichgesinnten – weltweit. Fremdeln ist hier überflüssig, Akklimatisierungs- und Orientierungsphasen sind Fremdwörter. Die Veranstalter sprechen vom „Club-Urlaub“. Das Erkennungszeichen: weltweit gleiche Standards mit der Striktheit eines Systems hart an der Grenze zu McDonald's. Club-Urlauber wissen dies zu schätzen. Sie sind zufriedene Urlauber. Manche Veranstalter verzeichnen bis zu 70 Prozent „Repeater“. Und damit diese noch zufriedener werden, nehmen ihnen fortschrittliche Anbieter jetzt auch die Kontrolle übers Kleingeld ab.

„All Inclusive“ ist das Konzept. Auf der diesjährigen Tourismusmesse „Travel Trade“ in Frankfurt am Main wurde „All Inclusive“ als die zweite Club-Generation vorgestellt. Keine müde Mark mehr für irgendein Extra fällt an, Trinkgelder sind verpönt, von den Zigaretten bis hin zum Alkohol an allen Bars ist alles im Reisepreis inbegriffen. Johann Friedrich Engel, Ex-„Robinson“-Chef und jetzt wieder Jungunternehmer mit einem neuen „Arkona“-Club-Konzept, gibt sich noch pingelig: „Es kommt auf die Zielgruppe an, die ich im Club haben will.“ Engel will spezielle „Inclusive“-Angebote weiterhin als Steuerungsinstrument nutzen. Und auch Norbert Gratzel, Geschäftsführer der „Aldiana“-Clubs, winkt ab. Sein Argument: Nichts für „Aldiana“-Urlauber, denn die wollen gewohnheitsmäßig alles, was sie bezahlen, auch nutzen. Streß vorprogrammiert.

Doch „All Inclusive“ ist in der Karibik schon bestens erprobt. Auf 16 Inseln stehen über 80 einschlägige Club-Anlagen. Jetzt übernimmt die TUI das Konzept für ihre „Robinson“-Clubs. Im letzten Sommer wurde es erstmalig in der Türkei angeboten, demnächst soll es an weiteren fünf Fernreisezielen für glückliche Touristen sorgen. Die Neuerung verwundert nicht, denn sie ist die perfekte Bindungsstrategie. Mensch bleibt in der Anlage und bunkert sich ein, rundum animiert und voll versorgt. Warum auch sollte man noch einen Schritt ins fremde Leben tun? Im Umfeld dieser Anlagen komme es zur kulturellen Verödung, so berichten Journalisten. Händler und Taxifahrer verlieren ihre Kunden und geben auf. Bars schließen, denn die Urlauber trinken sich in den Anlagen „All Inclusive“ zu. Es gilt: „Je kürzer der Aufenthalt, um so heftiger ist das Besäufnis.“

Natürlich reagieren die Betreiber der karibischen Clubs aufs Drogenimage äußerst empfindlich. Sie verweisen statt dessen auf den Dienst am Kunden: überschaubares Urlaubsbudget und die Freiheit vom Zwang zum „Rundenschmeißen“. Eine „erzieherische Wirkung“. Und erfolgreich dazu. Die steten Zuwachsraten beweisen, daß die heimelige Versorgungsanstalt auf dem Vormarsch ist. Christel Burghoff

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