taz-Leser werden immer reicher

Bis zur Jahrtausendwende wird soviel vererbt, wie insgesamt im Land in einem Jahr verdient wird. Linke tun sich mit dem plötzlichen Reichtum offenbar besonders schwer. In den USA stecken Erben viel Geld in innovative Aktiengesellschaften  ■ Von Christian Arns

Wer morgens die taz aufschlägt, ist üblicherweise jung, überdurchschnittlich gut gebildet und hat durchaus genug Geld für einen komfortablen Alltag. Das sagen die neuesten Leseranalysen. Was sie allerdings nicht sagen: Eine große Zahl von ihnen wird in den nächsten Jahren erben. Glauben wir den Statistikern, dann werden auch ungefähr 2.500 taz- Leser bis zur Jahrtausendwende durch eine Erbschaft zu Millionären.

Leider ist das eine nicht die logische Konsequenz des anderen. Aber gut ein Drittel der Leserinnen und Leser gehört zur Gruppe der 30- bis 45jährigen. Und diese Generation ist es, die in den nächsten Jahren einen nie zuvor dagewesenen Geldsegen erleben wird – wenngleich dieser mit dem meist schmerzhaften Verlust der Eltern verbunden ist.

Es ist die sogenannte Aufbaugeneration, geboren in der Weimarer Republik, in dieser und im Nationalsozialismus aufgewachsen, die den Geldbesitz der Deutschen mittlerweile auf rund 10 Billionen Mark hochgeschraubt hat, in Zahlen: 10.000.000.000.000 Mark. Es ist die Generation der heute über 65jährigen, die immerhin 15 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht.

Viele dieser Senioren werden ihren Nachkommen den Reichtum noch in diesem Jahrzehnt vermachen. Die Schätzungen schwanken dabei zwischen 1,7 Billionen und stolzen 2,6 Billionen. Zum Vergleich: Das gesamte Volkseinkommen betrug im vergangenen Jahr knapp 2,5 Billionen, also etwas weniger.

Die BBE-Unternehmensberatung aus Köln hat in diesem Jahr besonders für Großhandel und Industrie eine Untersuchung vorgestellt. Danach werden in diesem Jahrzehnt gut 1 Billion Mark allein als Bargeld vererbt, noch einmal knapp der gleiche Betrag als Immobilienbesitz sowie 480 Milliarden Mark durch Zahlungen aus Lebensversicherungen.

Grund für Diskussionen auf allen Ebenen bieten seit einiger Zeit vor allem Grundstücke und Häuser. Das liegt zum einen an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die besteuerten Werte erheblich angehoben werden sollen. Denn die bislang gültigen Einheitswerte entsprechen im Normalfall nur 10 bis 13 Prozent des realen Marktwerts, bei Bauernhöfen sogar nur 3 Prozent. Das sei ungerecht, daher verfassungswidrig, befanden die Karlsruher Richter. In vielen Familien werden daher schon jetzt Häuser von Eigentümern auf ihre Kinder übertragen, um einer Neuregelung zuvorzukommen.

Und die wird von Bedeutung sein, denn deutlich über die Hälfte der über Fünfundsechzigjährigen besitzt ein Haus. Zukünftige Erben befürchten, daß sie das zu erbende Haus mit einer hohen Hypothek werden belasten müssen, um die fällige Erbschaftssteuer überhaupt zahlen zu können.

Neben möglichen finanziellen Engpässen, die sich durch Mieteinnahmen meist schnell ausgleichen werden, gibt es für Hauserben jedoch auch ganz andere Probleme: Sie werden zu Vermietern. Gerade politisch eher progressiv eingestellten Erben mache diese Veränderung oftmals schwer zu schaffen, stellen die Finanzexperten sogenannter Öko-Fonds übereinstimmend fest.

Gerade für Menschen, die ihre Lebens- und Denkweise als links oder alternativ bezeichnen, stellt das Erben offenbar ein besonderes Problem dar. Sie wollen mit dem vielen Geld nichts zu tun haben, übertragen gerne die gesamte Verwaltung an Organisationen, die sich damit erstens auskennen und die zweitens ökologisch und gesellschaftlich sinnvolle Arbeit unterstützen (siehe Interview auf Seite 21).

Einige Erben schämen sich sogar und suchen nach Möglichkeiten, ihr Gewissen durch die Art der Geldanlage zu beruhigen. Diese gibt es längst, sowohl über die Öko-Fonds als auch über Direktanlagen. Beides sind auch Möglichkeiten für diejenigen, die mit ihrem Erbe etwas zugunsten der Umwelt oder einer gerechteren Wirtschaftsweise verändern wollen.

In den USA ist es längst Normalität geworden, daß zum Beispiel junge umweltbewegte Erben ihr Geld in innovative Aktiengesellschaften stecken: Der gute Zweck liegt auf der Hand, da einem umweltfreundlichen Produkt so vielleicht zur Markteinführung verholfen werden kann. Sollte dies gelingen, ist die dann zu erwartende Rendite möglicherweise höher, als wenn das Geld konventionell angelegt worden wäre. Dafür ist das Risiko hoch, denn vielleicht scheitert die gute Idee, und die kleine Gesellschaft geht pleite. Doch Wagemutige haben es da in Deutschland erheblich schwerer, denn der Weg an die Börse wird hierzulande viel seltener beschritten. Während von 1987 bis 1993 knapp 1.300 Unternehmen neu beim New York Stock Exchange notiert wurden, waren es in Deutschland im selben Zeitraum nicht einmal 150.

Insgesamt sind an der Börse nur rund 660 der über 3.000 Aktiengesellschaften notiert. Prägend für das Wirtschaftsleben der Bundesrepublik sind die 550.000 Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH). Die Folge: „In der Bundesrepublik gibt es höchstens zehn wirklich grüne Aktien.“ Die Klage stammt von Hans Berner, dem Gründer des Ethischen Investments Köln EthIK. Die Kunden zahlen ihr Geld in diesen wie in andere Öko-Fonds ein, die dafür Beteiligungen an Unternehmen erwerben, die umweltfreundliche Produkte umweltverträglich herstellen. Und da nur wenige grüne Aktien in Deutschland zu haben sind, wandert auf diese Weise viel Innovationskapital ins Ausland.

Grüne Geldgeschäfte bieten außerdem alternative Geldinstitute an, von denen die Ökobank aus Frankfurt sicher die bekannteste ist. Die Zeitschrift natur nannte nun mit der GLS-Gemeinschaftsbank (Bochum), der anthroposophisch orientierten Freien Gemeinschaftsbank BCL (Dornach, Schweiz), der Alternativen Bank Schweiz ABS (Olten) und der zum zweiten Mal im Aufbau befindlichen UmweltBank (Nürnberg) vier weitere Geldinstitute, bei denen sich Sparer des guten Zwecks sicher sein könnten.

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