Unterm Strich

Das Beatlesfieber in der Redaktion ist am Ende dieser Woche auf etwa 36,3 Grad Celsius gefallen, da platzt diese Meldung herein: Die Deichtorhallen zu Hamburg, in denen die Beatles bekanntlich schon in den frühen Sechzigern mit dem damals noch jugendlichen Klaus von Dohnanyi so manches Alsterwasser die Kehle hinabrinnen ließen, zeigt unter dem Titel „The Beatles – A Private View“ Schnappschüsse, Plattencover und unveröffentlichte Fotos aus der Kamera des britischen Fotografen Robert Freeman. Vom 8. Dezember bis zum 4. Januar sind die Ergebnisse seiner „mehrjährigen Arbeit mit den vier Pilzköpfen aus Liverpool“ (dpa) an diesem historischen Ort zu bewundern, desweiteren auch Dokumente der Musikgeschichte, so etwa ein Telegramm zum Auftritt der Beatles in der „Ed Sullivan Show“ – mit Gratulationen und besten Wünschen. Freeman, der außerdem John Coltrane, Bob Marley und Andy Warhol „abgelichtet“ hat, sieht sein Schaffen mit den Beatles im Zeichen allgemeinen Äquivalententauschs: „Ich mochte ihre Musik, sie mochten meine Fotos.“

Gestern noch (siehe „Unterm Strich“) schien der Skandal perfekt, heute müssen wir bereits wieder wägen und relativieren: Die Martin Luther persönlich gehört haben sollende Bibel, die unentdeckt von der Fachwelt über Jahrhunderte in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart „geschlummert“ haben soll, ist möglicherweise doch nicht echt. Die handschriftlichen Bemerkungen, so der Tübinger Forscher Herhard Hammer, kämen „Luthers Schrift nah“, seien „aber nicht identisch“. Besonders „stutzig“ habe ihn gemacht, daß sich auf dem Titelblatt zwar mehrere Besitzer eingetragen haben, der „Name des Reformators“ aber fehlt. Außerdem sei der an anderer Stelle geschriebene Vermerk „Ex psalterio d.m.l.“ (für: Doktor Martin Luther) nicht typisch für Luther selbst, sondern stammte immer

nur von seinen Schülern. Schwer ist zum jetzigen Zeitpunkt von dieser Stelle aus zu entscheiden, ob die Wissenschaft tatsächlich irrte, oder ob es sich um eine Intrige von Tübingen in Richtung Stuttgart handelt. Froh jedenfalls kann der Stern sein, daß er keinen Vorabdruck gebracht hat.

Das Pariser Centre Pompidou wurde vom zuständigen Verwaltungsgericht dazu verurteilt, die Preise aller Kunstwerke bekanntzugeben, die das staatliche Museum moderner Kunst im Centre seit 1985 erworben hat. Geklagt hatte, wie das Kunstmagazin ART in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, der französische Medien- und Aktionskünstler Fred Forest. Der Grund: schlichter Ärger. Forest fand es nicht gut, daß der deutsche Konzeptkünstler Hans Haacke trotz seiner Kritik an der Kulturförderungspolitik westlicher Länder zu jenen nichtfranzösischen Künstlern gehört, die der Staat seit Jahren durch Ankäufe begünstigt. François Barr, Präsident des Centre Pompidou, hat Berufung eingelegt. Sollte es tatsächlich zur Zwangsoffenlegung der Preise kommen, könnte das nach den Worten des Direktors der regionalen Kunstsammlung Bordeaux, Hervé Legros, „eine Bombe lostreten“. Beim Stand des Populismus in Frankreich sei „fast jeder Preis für ein Kunstwerk ein potentieller Skandal“.

Markus Wolf muß seine „Berliner Lektion“ am morgigen Sonntag ohne Vertreter des „Autorenkreis der Bundesrepublik“ abhalten. Selbiger hat eine Einladung der Berliner Festspiele und des Bertelsmann-Verlags abgelehnt. Aus der Urteilsbegründung: „Wir sind nicht interessiert an der Familiensaga eines Mannes, der bis zum heutigen Tag seine hochrangige Täterschaft bei der politischen Kriminalität der DDR weder aufzudecken bereit ist noch bereut.“ Dies mache Wolfs Vortrag nicht nur unseriös, es würdige die „geistig elitäre Reihe“ (dpa) „Berliner Lektionen“ auch „zu einem Talkshow-Geschwätz herab“.

Gegen das Verächtlichmachen von Medien und Technik hat wiederum Nam June Paik eine Riesenmonitorwand errichtet, die ab heute im Kunstmuseum Wolfsburg zu sehen ist. „Paik steht für modernes Leben“, erläuterte Museumsdirektor Giys van Tuyl unnachahmlich, um sich dann vor VW zu verbeugen: „Wolfsburg hat viel mit Technik zu tun.“ Und so waren's denn alle zufrieden und eroberten das Büffet.