Zitterbacke gous west

■ Eine Legende aus der zerfallenen DDR auf der Suche nach neuen Lachern

Alfons Zitterbacke, in den Wendewirren der 90er Jahre verschütt gegangen, versucht sein Kammbäck. Er war eine Kultfigur, ein Buchheld, zwei Bände meiner Kindheit. In der starren, von ehrenvollen Pfadfinderwerten geprägten realsatirischen Welt der FDJ und damit der Welt der DDR versuchte er, es allen Erwachsenen recht zu machen und flog damit ständig tüchtig auf die Schnauze. Aus diesem Widerspruch zogen die Episoden um Alfons ihren unendlichen Witz. Einen Witz, der gleichzeitig die Normen als absurd entlarvte, obwohl das wahrscheinlich nie in der Intention des Autors Gerhard Holtz-Baumert lag.

„Ach DDR“, werden jetzt einige denken, „Schnee von gestern. Damit lockt man doch keinen mehr hinterm Ofen hervor.“ Falsch! Die beiden ersten Bände haben auch heute nichts von ihrer Komik und Kritik an der Unredlichkeit von Erwachsenen gegenüber Kindern verloren. Als ich vor etwa fünf Jahren meinen West- Kindern das erste Mal Alfons Zitterbacke vorlas, war das ein Riesenerfolg. Die beiden schnappten sich die Bücher und lasen sich die Kapitel von ständigem Lachen begleitet vor. Und auch heute noch ist Zitterbacke eines der wenigen Kinderbücher, bei der meine mittlerweile ins Teeniealter entfleuchte Tochter am Tisch sitzenbleibt, wenn ich meinem Sohn vorlese.

Wir fieberten alle, als wir erfuhren, daß sich Holtz-Baumert daran gemacht hat, einen neuen dritten Alfonsband zu schaffen. Meine Kinder lechzten nach neuen aberwitzigen Episoden, und ich war neugierig, wie Alfons den Übergang in die Westgesellschaft gemeistert hat. Was macht der allmächtige Gruppenratsvorsitzende Peter, der Alfons das Leben so schwer machte. Oder wie geht es der Dame Zweu, jener sympathischen Lektorin, die in Alfons' Fänge gerät und der wir die beiden ersten Bände verdanken. Ich war neugierig, welche Kurve der vom Sieg des Sozialismus überzeugte Vater gekriegt hatte.

Aber glaubt nicht, daß es für einen Kritiker einfach ist, an das neue Buch ranzukommen. Ein erstes Fax an die Leipziger Buchhandels- und Verlangsanstalt (LeiV is LeiV) landete im Interspace. Ein Anruf wurde zwar entgegengenommen, die Zusendung der drei Bände versprochen, erreicht hat mich nur jener legendäre erste Band. Aber ich kenn' ja Alfons, wahrscheinlich arbeitet er mittlerweile im Vertrieb. Vieles spricht dafür.

Als ich schließlich das neue Buch in den Händen hatte und begierig las, machte sich Enttäuschung breit. Die DDR scheint es nie gegeben zu haben. Alfons mutiert zu einem Zweitklässler, der sich seine Vorbilder an denen er scheitert, krampfhaft aus den Fernsehserien holt. Ein wenig Feminismus bei der Mutter, ein wenig Bauch beim Vater, ein wenig Sprachkritik am neuen englischen Wortschatz, das war's! Nur in ganz wenigen Episoden, zum Beispiel als er „seine Liebe versprähte“ oder die Großmutter besuchte, läuft er zu alter Größe auf. Meinen Kindern gefällt es trotzdem.

Gerhard Holtz-Baumert: 1. Alfons Zitterbacke. Geschichten eines Pechvogels. 2. Alfons Zitterbacke hat wieder Ärger. 3. Alfons Zitterbackes neuer Ärger. LeiV, ab 6 Jahre, pro Band 17,80DM Peter Huth